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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Was motiviert Hausärzt*innen zur Ausbildung Medizinstudierender in der eigenen Praxis? Eine Fragebogenerhebung zur Lehrmotivation als Ansatz für die Akquise von Lehrpraxen

Artikel Allgemeinmedizin

  • author Louisa Daunert - Universitätsklinikum Jena, Institut für Allgemeinmedizin, Jena, Deutschland
  • author Sven Schulz - Universitätsklinikum Jena, Institut für Allgemeinmedizin, Jena, Deutschland
  • author Thomas Lehmann - Universitätsklinikum Jena, Institut für Medizinische Statistik, Informatik und Datenwissenschaften, Jena, Deutschland
  • author Jutta Bleidorn - Universitätsklinikum Jena, Institut für Allgemeinmedizin, Jena, Deutschland
  • corresponding author Inga Petruschke - Universitätsklinikum Jena, Institut für Allgemeinmedizin, Jena, Deutschland

GMS J Med Educ 2023;40(4):Doc51

doi: 10.3205/zma001633, urn:nbn:de:0183-zma0016334

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2023-40/zma001633.shtml

Eingereicht: 9. September 2022
Überarbeitet: 1. März 2023
Angenommen: 20. April 2023
Veröffentlicht: 15. Juni 2023

© 2023 Daunert et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Mit Inkrafttreten der neuen Approbationsordnung für Ärzte stehen die Medizinischen Fakultäten vor der Aufgabe, weitere hausärztliche Kolleg*innen für die Ausbildung Studierender in ihren Praxen zu gewinnen und zu qualifizieren.

Zielsetzung: Ziel der Studie war die Erfassung der Motivation von Hausärzt*innen zur Ausbildung Studierender in der eigenen Praxis.

Methodik: Von April bis Mai 2020 wurde eine Querschnittsbefragung von Thüringer Hausärzt*innen durchgeführt. 21 Items zu Motivation, Anreizen und Barrieren wurden erfasst und mittels univariater und multivariater Analysen untersucht.

Ergebnisse: Der Rücklauf betrug 35,8% (538/1.513). Die befragten Hausärzt*innen schätzten sich motiviert ein, Studierende in ihrer Praxis auszubilden. Die Motive sind als überwiegend intrinsisch zu beschreiben: beidseitiger Wissensaustausch, Lust, Wissen zu teilen und den Nachwuchs zu fördern. Anreize waren die Chance, selbst auf dem neuesten Stand des Wissens zu bleiben, Fortbildungen und kollegiale Kontakte. Als hinderlich für Lehre in der eigenen Praxis zeigten sich die Sorge, weniger Patient*innen versorgen zu können, eine mögliche Störung des Praxisablaufs und fehlende Räumlichkeiten. Eine Subgruppenanalyse der Hausärzt*innen, die noch keine Lehrärzt*innen waren, nannten ähnliche Motive und Barrieren hinsichtlich der Ausbildung Studierender in ihrer Praxis bei einer insgesamt etwas geringeren Gesamtmotivation.

Schlussfolgerung: Die Ergebnisse beschreiben die Facetten der Lehrmotivation unter Thüringer Hausärzt*innen und können beim Ausbau eines nachhaltigen, hausärztlichen Lehrpraxennetzwerks hilfreich sein. Motive sollten adressiert, Schwierigkeiten mit individuellen Lösungen begegnet und zielgerichtete Anreize geschaffen werden.

Schlüsselwörter: Lehrmotivation, ambulante Lehre, Allgemeinmedizin, Lehrpraxis, Medizinstudierende


1. Einleitung

Mehr Allgemeinmedizin im Studium, mehr Ausbildung im ambulanten Sektor – diese Empfehlungen des Masterplan Medizinstudium 2020 [1] werden im Referentenentwurf der neuen Ärztlichen Approbationsordnung (ÄApprO) konkretisiert. Hausärztliche Lehrpraxen werden damit deutlich stärker als bisher in die ärztliche Ausbildung einbezogen werden [2]. Neben einem obligatorischen PJ-Quartal in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung wird eine Erweiterung des aktuell zweiwöchigen Blockpraktikums Allgemeinmedizin erwartet. Damit stehen die Medizinischen Fakultäten vor der Aufgabe, in den kommenden Jahren weitere hausärztliche Lehrpraxen zu gewinnen und für die Ausbildung Studierender zu qualifizieren. Lehrärzt*innen, die Studierende in ihren Praxen oder MVZs ausbilden, sind meist vertraglich angebunden und erhalten eine je nach Fakultät unterschiedlich hohe Vergütung.

1.1. Motivation

Voraussetzung für eine Lehrtätigkeit zusätzlich zur Patientenversorgung ist die Motivation. Nach dem Modell der „klassischen Motivationspsychologie“ von Rheinberg und Vollmeyer führen das Zusammenkommen von personenbezogenen Motiven und einer passenden Situation zur Ausbildung von „Motivation“ [3]. Zusätzlich kann von situativen Anreizen gesprochen werden, die auf eine Person oder Situation einwirken und in einer Handlung resultieren [4]. Relevant bei der Untersuchung der Motivation – in unserer Befragung der Lehrmotivation – ist es, sowohl intrinsische (Warum möchte ich etwas tun?) als auch extrinsische Motive (Was bringt es mir, etwas zu tun?) zu erfassen [5], [6].

Befragungen in den USA und Australien zeigten unter Hausärzt*innen eine überwiegend hohe Motivation zu lehren [7], [8]. Der Einfluss von intrinsischen Motiven (Wissensweitergabe, Verantwortung, Spaß an der Lehre) und von extrinsischen Anreizen (Fortbildungen, CME-Punkte, Zugang zu Literatur, Anerkennung, Vergütung) [5] auf die Lehrmotivation konnte herausgearbeitet werden [7], [8], [9].

Aktuelle Studien innerhalb Deutschlands im hausärztlichen Setting zeigen ebenfalls eine hohe Motivation, Studierende auszubilden [10], [11]. Motive zu lehren waren unter anderem die Lust, Wissen weiterzugeben und die Nachwuchsförderung; als Anreiz konnte das Interesse an Fortbildungen und Netzwerken identifiziert werden [10], [12], [13].

1.2. Fragestellung

In Thüringen sind ca. 220 hausärztliche Kolleg*innen vertraglich an die Medizinische Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena gebunden und bilden Studierende im Blockpraktikum und im PJ-Wahltertial Allgemeinmedizin aus. Zudem sammeln viele Hausärzt*innen Erfahrung mit Studierenden im Rahmen der seit 2013 obligatorischen Famulatur in der Primärversorgung ([https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/gesundheitswesen/gesundheitsberufe/aerzte.html], aufgerufen am: 10.08.2022), für die eine Anbindung als Akademische Lehrpraxis keine Voraussetzung ist. Für die Umsetzung der kommenden Approbationsordnung bedarf es weiterer, als Akademische Lehrpraxis qualifizierter Hausarztpraxen. Daher hatte die Befragung zum Ziel, aktuelle und regionale Daten zu erheben und eine wissenschaftliche Grundlage für Konzepte und Empfehlungen zur Lehrärztegewinnung zu schaffen.


2. Methoden

2.1. Fragebogen

Der zweiseitige Fragebogen wurde in Anlehnung an den von Adarkwah et al. genutzten Fragebogen [12] erstellt. Dabei wurden motivierende Faktoren in intrinsische Motive (Nachwuchsförderung, Lust Wissen zu teilen, gesellschaftliche Verantwortung […]) und extrinsische Anreize (Chance für Kontakte und Netzwerke, Nachfolger, Akademische Lehrpraxis als Aufwertung […]) unterteilt [3], [5]. Die Items wurden im Autor*innenteam konsentiert. Nach Pilotierung mit fünf hausärztlich tätigen Kolleg*innen, die nicht an der Befragung teilnahmen, erfolgte eine Anpassung von drei Items. Es wurden elf soziodemographische und praxisspezifischen Merkmale sowie 21 Items zu den Dimensionen Motive, Anreize und Barrieren erfasst. Die Antworten dazu erfolgten über vierstufige Likert-Skalen (Zustimmung zu Aussagen) und Freitexte bei drei Items.

Das Vorhaben wurde von der Ethikkommission des Universitätsklinikums Jena am 23.04.2020 positiv beschieden (Reg.-Nr.: 2020-1753-Bef.).

2.2. Datenerhebung, -aufbereitung und -analyse

Ende April 2020 wurde der Fragebogen und eine Studieninformation an alle hausärztlich tätigen Allgemeinmediziner*innen, Internist*innen und praktischen Ärzt*innen (n=1.513) in Thüringen versendet. Eine Aufwandsentschädigung erfolgte nicht.

Die rückläufigen Fragebögen wurden über einen Dokumentenscanner in eine SPSS-Datei (IBM SPSS Statistics 27) eingepflegt und händisch überprüft. Dadurch konnten fehlende Angaben ergänzt und doppelte Einsendungen identifiziert werden. Bei fast allen Items lag die Anzahl der Missings unter 5%. Ein Item wurde von der Analyse ausgeschlossen, da sich die Formulierung der Fragestellung als zu ungenau erwies. Die Non-Responder Befragung wurde aufgrund des geringen Rücklaufs nicht analysiert.

Für die univariaten Analysen wurde die Gesamtmotivation mit der Frage „Wie motiviert zur Ausbildung Studierender in Ihrer Praxis würden Sie sich einschätzen?“ als Zielvariable definiert. Die Einflussvariablen bestanden sowohl aus soziodemographischen Angaben als auch aus einzelnen Items der Motive, Anreize und Barrieren. Zur Vereinfachung wurden die ordinal skalierten Items dichotomisiert [14]. Univariat wurde der Zusammenhang zwischen metrischen oder ordinal skalierten Einflussvariablen und der Gesamtmotivation mittels zweiseitigem Mann-Whitney-U-Test überprüft. Der Zusammenhang zwischen kategorialen Variablen und der Gesamtmotivation wurde anhand des exakten Test nach Fisher oder mit dem Chi-Quadrat-Test (bei mehr als zwei Ausprägungen) geprüft. Die in der univariaten Analyse signifikanten Items wurden als Einflussvariablen in eine multivariate, binär logistische Regression mit der Gesamtmotivation als Zielvariable eingeschlossen. Anhand des Items „Ist Ihre Praxis akademische Lehrpraxis der Universität Jena?“ (n=331/538) wurde der Datensatz aufgeteilt und die Subgruppe der Nicht-Lehrärzt*innen analysiert. Eine qualitative Inhaltsanalyse der Freitexte erfolgt mit der Software MAXQDA (Version 2018).


3. Ergebnisse

Es nahmen 538/1.513 Hausärzt*innen an der Befragung teil, der Rücklauf betrug damit 35,8%. Die Befragten waren überwiegend weiblich, im Mittel 52 Jahre alt und vorwiegend als Inhaber*innen in Einzelpraxen tätig. Insgesamt 72,7% gaben Erfahrungen mit Studierenden an; 38,2% waren in Lehrpraxen tätig, siehe Tabelle 1 [Tab. 1].

3.1. Deskriptive Analyse der Gesamtstichprobe

Die Motivation, Studierende in der eigenen Praxis auszubilden, gaben die Befragten als insgesamt hoch an: Der überwiegende Teil (81,9%) beschrieb sich als motiviert oder überwiegend motiviert, siehe Abbildung 1 [Abb. 1].

Zu den intrinsischen Motiven gab es eine hohe Zustimmung (trifft zu + trifft eher zu): Beitrag zur Nachwuchsförderung (87,6%), Wissensaustausch (89,4%), Lust, Wissen zu teilen (87,5%) und die gesellschaftliche Verantwortung (82,8%).

Die vier Anreize mit der größten Zustimmung (trifft zu + trifft eher zu) waren: auf dem neuesten Wissensstand bleiben (82,6%), die Bezeichnung Akademische Lehrpraxis als Aufwertung (62,4%), die Möglichkeit zur Teilnahme an Fortbildungen (58,3%) und die Chance für Kontakte und Netzwerke (55,1%).

Die drei Anreize Vergütung (46,1%), Zugang zu Literatur über die Uni-Bibliothek (45,5%) und Kompetenter wahrgenommen werden (40,1%) erhielten deutlich geringere Zustimmung.

Möglichen Barrieren wurde insgesamt seltener zugestimmt als Motiven oder Anreizen. Die größte Zustimmung zeigte sich zur Sorge, weniger Patient*innen versorgen zu können (34,3%) und dass Studierende den Praxisablauf stören könnten (30,8%).

3.2. Multivariate Analyse von Einflussfaktoren auf die Lehrmotivation (Gesamtstichprobe)

Befragte, die ihr Wissen teilen (OR: 18,2; p<0,001) und einen Beitrag zur Nachwuchsförderung leisten wollen (OR: 18,1; p<0,001) waren am häufigsten motiviert, Studierende bei sich auszubilden. Ausbildung als gesellschaftliche Verantwortung (OR: 2,9; p=0,009) zu sehen erhöhte die Wahrscheinlichkeit, ebenso wie der Wunsch, auf dem neuesten Wissensstand zu bleiben (OR: 3,6; p<0,001), bspw. über kostenfreie Fortbildungen (OR: 2,9; p<0,001) und Zugang zu Literatur (OR: 2,0; p=0,21), und die Chance für Kontakte und Netzwerke (OR: 2,5; p=0,002). Verfügte die Praxis über ausreichend Räumlichkeiten, gaben die Befragten häufiger an, zur Ausbildung Studierender in der eigenen Praxis motiviert zu sein (OR: 8,1; p<0,001).

Seltener waren ältere Befragte zur Ausbildung Studierender in der eigenen Praxis motiviert (OR: 0,95; p<0,001). Auch die Sorge vor Störung des Praxisablaufs (OR: 0,4; p=0,013) und die Sorge, weniger Patient*innen versorgen zu können (OR: 0,4; p=0,003) reduzierte die Wahrscheinlichkeit, Studierende bei sich ausbilden zu wollen.

3.3. Vergütung

Die Frage „Welchen Tagessatz für die Ausbildung von Studierenden in der Praxis empfinden Sie als angemessen?“ wurde von 57,1% aller Befragten beantwortet, davon machten 29,6% keine konkrete Angabe, sondern beantworteten die Frage mit „weiß nicht“. Im Mittel wurden als Freitext 56€/Tag (Median 50€/Tag) als angemessen angegeben, bei einer Spanne von 0-400€/Tag.

3.4. Deskriptive Analyse Subgruppe Nicht-Lehrärzt*innen

Von den Befragten waren 61,8 % nicht in einer Lehrpraxis tätig. Diese gaben an, ebenfalls motiviert (29,6%) oder überwiegend motiviert (43,8%) zu sein, Studierende in der eigenen Praxis auszubilden (siehe Abbildung 2 [Abb. 2]).

Bei den Motiven Wissensaustausch, Beitrag zur Nachwuchsförderung und Lust, Wissen zu teilen waren die Unterschiede zur Gesamtstichprobe gering, die Zustimmung (trifft zu + trifft zu) lag ebenfalls bei >80%. Gesellschaftliche Verantwortung als Motiv zu lehren zeigte in der Subgruppe geringere Zustimmung, 65,6% vs. 73,0% in der Gesamtstichprobe. Die Analyse der Anreize zeigte keine Unterschiede im Vergleich zur Gesamtstichprobe (siehe Abbildung 3 [Abb. 3]).

Den Barrieren wurde in dieser Subgruppe etwas häufiger zugestimmt, beispielsweise wurde die Sorge, weniger Patient*innen versorgen zu können häufiger geäußert (42,3% vs. 34,3% Gesamtstichprobe); ebenso wie die einer vermuteten Störung des Praxisablaufs (37,9% vs. 30,8% Gesamtstichprobe) (siehe Abbildung 4 [Abb. 4]).

3.5. Multivariate Analyse von Einflussfaktoren auf die Lehrmotivation (Nicht-Lehrärzt*innen)

Bei den Befragten, die bisher nicht als Lehrärzt*innen tätig waren, war die Lehrmotivation höher, wenn sie in der Ausbildung von Studierenden in der eigenen Praxis einen Beitrag zur Nachwuchsförderung sahen und ihr Wissen teilen wollten. Dies waren auch die Hauptmotive der Gesamtstichprobe, die OR war bei dem Beitrag zur Nachwuchsförderung allerdings beinahe doppelt so hoch (OR: 34,8 vs. OR: 18,1). Weiterhin erhöhten die Anreize Chance für Kontakte und Netzwerk, Konsultationszeit der Studierenden erhöht Patient*innenzufriedenheit und auf dem neuesten Wissensstand bleiben die Wahrscheinlichkeit, Studierende in der eigenen Praxis ausbilden zu wollen.

Ein höheres Alter reduzierte die Wahrscheinlichkeit, dass die Befragten angaben, zur Ausbildung Studierender motiviert zu sein (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]).


4. Diskussion

Mit dieser Befragung wurde die Motivation zur Ausbildung Medizinstudierender in der eigenen Praxis unter Thüringer Hausärzt*innen erfasst, um über die Kenntnis von Motiven, Anreizen und Barrieren die Kooperation zwischen Hausärzt*innen und Fakultät auszubauen.

Die 538 teilnehmenden Hausärzt*innen entsprechen in Alter und Geschlecht in etwa dem Durchschnitt der Thüringer Hausärzt*innen, somit kann eine Gültigkeit der Ergebnisse für Thüringen insgesamt angenommen werden [15].

4.1. Motivation

Insgesamt besteht bei über 80% der Befragten eine hohe Motivation, sich an der Ausbildung Studierender zu beteiligen. Dies bestätigt Ergebnisse anderer Befragungen unter Hausärzt*innen in Deutschland [10], [12], [13]. Die hohe Lehrmotivation in unserer Studienpopulation wird auch daran deutlich, dass 73% der Befragten bereits Erfahrungen mit Studierenden hatten und 38% in Lehrpraxen tätig sind. Dieser Anteil lag in einer aktuellen Befragung von Hausärzt*innen in Sachsen mit 19% deutlich niedriger [10].

Die am stärksten motivierenden Faktoren unserer Befragung (Beitrag zur Nachwuchsförderung, Profitieren vom Wissensaustausch und Lust, Wissen zu teilen) sind als intrinsisch zu werten und wiegen schwerer als extrinsische Anreize wie Vergütung, Fortbildungen etc. Dies ist auch aus anderen Studien zur Ausbildung Studierender in der hausärztlichen Praxis bekannt [7], [8], [13], [16], [17], [18], [19]. Arbeiten aus den USA und Australien zeigten, dass der Austausch mit Studierenden von den hausärztlichen Lehrärzt*innen als gewinnbringend und lehrreich empfunden wird [8], [9], [18]. Während die Studierenden von der teils langjährigen klinischen Erfahrung der Lehrärzt*innen profitieren, reflektieren diese ihr Wissen und ihre Vorgehensweisen regelmäßig durch Fragen, Gespräche und fachlichen Austausch mit den Studierenden.

Auch das intrinsische Motiv, über die Ausbildung Studierender zum ärztlichen Nachwuchs beizutragen, spielt eine wichtige Rolle. Viele Hausärzt*innen wünschen sich engagierten ärztlichen Nachwuchs, nicht zuletzt für die eigene Praxis. Eine Veröffentlichung aus 2018 hebt hervor, dass die Ausbildung von Studierenden in der eigenen Praxis auch mit dem Kennenlernen der nachfolgenden Generation und der Möglichkeit, für den eigenen Job zu begeistern einhergeht [20]. Da ein Drittel der aktuell in Deutschland tätigen Hausärzt*innen älter als 60 Jahre ist [21], bekommt die Nachfolger*innensuche eine große Bedeutung.

4.2. Anreize

Ergänzend zum Wunsch, durch die Ausbildung Studierender in der eigenen Praxis auf dem neuesten Wissensstand zu bleiben, zeigten sich das Angebot von Fortbildungen und der Zugang zu Literatur als relevante Anreize. In anderen Befragungen wurde zusätzlich dazu der Wunsch nach Feedback und Evaluation für die eigene Arbeit [10] und Zugang zu klinischen Datenbanken geäußert [9].

Über die Ausbildung Studierender in der eigenen Praxis Kontakte zu knüpfen und sich besser zu vernetzen ist ebenfalls ein Anreiz, wenngleich für die hier Befragten insgesamt weniger relevant. Trotzdem können Präsenzfortbildungen (auch zu medizindidaktischen Themen), Lehrärztetreffen und persönliches Feedback Anerkennung geben und ein Zugehörigkeitsgefühl schaffen, was die intrinsische Motivation stärkt.

Vergütung war in unserer Befragung kein relevanter Anreiz. Das erscheint bei der überwiegend intrinsischen Motivation der Befragten nicht überraschend und deckt sich mit Studien aus den USA, Kanada und Deutschland [7], [13], [16], [22], [23]. Dass 30% der Befragten keine Angabe zu einem ihnen angemessenen Tagessatz machten, könnte auf eine Unsicherheit hinweisen, da eine Vergleichsgröße fehlt. Da jedoch in verschiedenen Arbeiten angemerkt wird, den erhöhten (Zeit-) Aufwand zu vergüten [10], [24], liegt die Herausforderung darin, ein Maß zu finden, das den „Korrumpierungseffekt“ [25] (Belohnung reduziert intrinsische Motivation) vermeidet und dem erhöhten Aufwand trotzdem gerecht wird.

4.3. Ansätze zur Gewinnung von Lehrpraxen

Für die Gewinnung weiterer allgemeinmedizinischer Lehrpraxen sind die Antworten der Nicht-Lehrärzt*innen besonders interessant. Der Anteil der zur Ausbildung von Studierenden motivierten Hausärzte lag in dieser Gruppe bei 73,4%.

Bei den intrinsischen Motiven (Wissensaustausch, Beitrag zur Nachwuchsförderung und Lust, Wissen zu teilen) waren die Unterschiede zur Gesamtstichprobe gering, die Zustimmung lag jeweils bei über 80%. In der Subgruppe der Nicht-Lehrärzt*innen erhöhte das Motiv Nachwuchsförderung die Wahrscheinlichkeit zur Ausbildung Studierender in der eigenen Praxis motiviert zu sein um fast das Doppelte im Vergleich zur Gesamtstichprobe (OR: 34,8 vs. OR: 18,1). Dies könnte sich sowohl auf den Nachwuchs für die eigene Praxis oder auf die nächste Ärzt*innengeneration beziehen.

Hinsichtlich der Anreize zeigten sich keine Unterschiede im Vergleich zur Gesamtstichprobe, sodass „wissensassoziierte“ Anreize, z.B. unabhängige, auch medizindidaktische Fortbildungen, Zugang zu Literatur und elektronischen Datenbanken angeboten werden könnten.

Auch wenn in den CanMed – Rollen explizit die Rolle der Ärzt*innen als Lehrende benannt ist [26] – im Alltag der Hausärzt*innen steht die Patient*innenversorgung an erster Stelle. Eine häufig genannte Barriere hinsichtlich der Ausbildung Studierender ist der Mangel an Zeit [10] [16], [27]. Dies wurde in unserer Befragung nicht explizit erhoben, ist jedoch für praktizierende Hausärzt*innen in Thüringen ebenso bekannt bzw. anzunehmen [28]. Entsprechend stimmten die Nicht-Lehrärzt*innen häufiger den Sorgen zu, weniger Patient*innen versorgen zu können und dass Studierende den Praxisablauf stören könnten.

Benefits und Herausforderungen im Zusammenhang mit der Ausbildung Studierender in der eigenen Praxis können und sollten der Gewinnung und Qualifikation von Lehrärzt*innen aktiv adressiert werden – wie bspw. die Möglichkeit, über die Lehre in der Praxis den ärztlichen Nachwuchs für das eigene Fach zu begeistern und gleichzeitig selbst auf dem aktuellen Wissensstand zu bleiben. Auch (mögliche) Barrieren sollten direkt angesprochen werden, um konstruktive Lösungsansätze zu entwickeln. Hier empfiehlt es sich, erfahrene Lehrärzt*innen einzubinden, die im „Peer-to-peer“ Prinzip [8] zum individuellen Umgang mit diesen Herausforderungen weiterhelfen.

4.4. Stärken

Unsere Befragung hatte einen hohen Rücklauf und nahezu vollständige Antworten.

4.5. Limitationen

Bei dem vergleichsweise hohen Rücklauf ist davon auszugehen, dass an Lehre interessierte Hausärzt*innen eher bereit waren zu antworten (Antwort-Bias).

Die Gruppe der „Nicht-Lehrärzt*innen“ ist in der Gesamtstichprobe enthalten, daher liegt kein strenger Gruppenvergleich vor.


5. Fazit

Die Ergebnisse beschreiben ein facettenreiches Bild der Motivation von Hausärzt*innen, Studierende in der eigenen Praxis auszubilden. Sie können als Basis für die Gewinnung weiterer Lehrpraxen in Thüringen und darüber hinaus genutzt werden, indem Anreize – vor allem der mögliche Wissenszuwachs – und Barrieren adressiert werden. Weitere Untersuchungen zum Erfolg der eingesetzten Strategien sind erforderlich.


Interessenkonflikt

Die Autor*innen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


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