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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Klimawandel und Gesundheit: Veränderungen in Umweltwissen und -bewusstsein von Studierenden durch die Implementierung eines Wahl-Pflichtfaches an der Medizinischen Fakultät Ulm?

Artikel Wahlfach Klimawandel und Gesundheit

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  • author Laura Müller - Universität Ulm, Medizinische Fakultät, Institut für Biochemie und Molekulare Biologie, Ulm, Deutschland
  • author Michael Kühl - Universität Ulm, Medizinische Fakultät, Institut für Biochemie und Molekulare Biologie, Ulm, Deutschland
  • corresponding author Susanne J. Kühl - Universität Ulm, Medizinische Fakultät, Institut für Biochemie und Molekulare Biologie, Ulm, Deutschland

GMS J Med Educ 2023;40(3):Doc32

doi: 10.3205/zma001614, urn:nbn:de:0183-zma0016148

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2023-40/zma001614.shtml

Eingereicht: 15. Januar 2022
Überarbeitet: 21. Juli 2022
Angenommen: 9. August 2022
Veröffentlicht: 15. Mai 2023

© 2023 Müller et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund und Zielsetzung: Laut Weltgesundheitsorganisation stellt der Klimawandel die größte gesundheitliche Bedrohung der Menschheit dar. Sogleich trägt das Gesundheitssystem über seine hohen CO2-Emissionen weltweit zum Klimawandel bei. Um zukünftige Medizinerinnen und Mediziner hierfür zu sensibilisieren und die medizinische Ausbildung um klimabezogene Aspekte zu erweitern, wurde an der Medizinischen Fakultät Ulm im Wintersemester (WS) 2020/21 das Wahl-Pflichtfach „Klimawandel und Gesundheit“ mit einem Umfang von 28 akademischen Stunden für Studierende der Humanmedizin im vorklinischen Studienabschnitt implementiert. Unsere begleitende Studie untersuchte,

1. in welcher Form das Thema erfolgreich in das Studium der Humanmedizin unter Einbezug der Studierendenmeinung integriert werden kann und
2. ob es durch Teilnahme an einem Wahl-Pflichtfach zum Thema zu Veränderungen in Umweltwissen und -bewusstsein bei den Studierenden kommt.

Methodik: Zur Durchführbarkeit und Akzeptanz des Kurses wurden in einer Pilotrunde im WS 2020/21 mit allen n=11 Studierenden nach dem Kurs persönliche Einzelinterviews durchgeführt. Auch konnten die Studierenden den Kurs über einen Evaluationsfragebogen bewerten und wurden gebeten vor und nach Besuch des Kurses einen Umweltfragebogen zu Umweltwissen und -bewusstsein zu bearbeiten. Auf Basis dieser Erkenntnisse wurde der Kurs optimiert und im Sommersemester (SS) 2021 mit einer Interventions- (n=16, Teilnahme am Wahl-Pflichtfach) und einer Vergleichsgruppe (n=25, keine Teilnahme am Wahl-Pflichtfach) erneut durchgeführt. Die Interventionsgruppe bewertete den Kurs über den Evaluationsfragebogen. Beide Gruppen bearbeiteten zeitgleich den Umweltfragebogen.

Ergebnisse: Die positiven Bewertungen in beiden Umläufen lassen auf eine gute Durchführbarkeit und Akzeptanz des Kurses schließen. Das Umweltwissen der Studierenden konnte in beiden Umläufen gesteigert werden. Veränderungen im Umweltbewusstsein waren hingegen nur wenig zu beobachten.

Schlussfolgerung: Die vorliegende Arbeit veranschaulicht, wie das Thema Klimawandel und Gesundheit in das Medizinstudium eingebettet werden kann. Die Studierenden erachten die Thematisierung des Klimawandels als wichtig und ziehen aus dem Kurs einen Mehrwert für ihre künftige Arbeit im Gesundheitswesen. Die Studie zeigt, dass die Wissensvermittlung auf universitärer Ebene eine effektive Möglichkeit darstellt, die junge Generation zum Klimawandel und dessen Auswirkungen aufzuklären.

Schlüsselwörter: Klimawandel, Gesundheit, Bildung für nachhaltige Entwicklung, Umweltwissen, Umweltbewusstsein


1. Einleitung

1.1. Problematik und Ausgangslage an der Universität Ulm

Laut Weltgesundheitsorganisation stellt der Klimawandel die größte gesundheitliche Bedrohung dar [1]. Dabei sind vor allem die folgenden Aspekte wichtig:

1.
Der Klimawandel hat direkte und indirekte Auswirkungen auf die menschliche physische und psychische Gesundheit [2]. Direkte Auswirkungen sind beispielsweise die Zunahme von Verletzten und Toten durch Extremwetterereignisse oder das vermehrte Auftreten von Infektions- und Herzkreislauferkrankungen [2], [3]. Indirekt begünstigt der Klimawandel auch die Ausbreitung von Krankheitserregern [2].
2.
Akteure des Gesundheitssystems werden zukünftig häufiger mit den gesundheitlichen Folgen des Klimawandels konfrontiert sein. Gleichzeitig können sie als Multiplikator [4] und Vorbild im Klimaschutz fungieren.
3.
Das Gesundheitssystem trägt mit 4,4% der weltweiten Treibhausgasemissionen deutlich zum Klimawandel bei. Im globalen Durchschnitt gehen 17% dieser Emissionen direkt von den Gesundheitseinrichtungen inkl. Fahrzeugen aus, 12% entstehen durch Strom, Kühlung und Heizung und 71% stammen aus der Versorgungskette mit Produktion, Dienstleistung sowie Transport und Entsorgung von Waren. Wäre das Gesundheitssystem ein Land, wäre es der fünftgrößte Treibhausgasemittent der Welt. In Deutschland entfallen ca. 5,2% der Emissionen auf das Gesundheitssystem [5].

Um zukünftige Akteure des Gesundheitssystems über die Auswirkungen, Handlungsoptionen und Möglichkeiten zur Reduktion von Treibhausgasemissionen aufzuklären, wird es zunehmend wichtiger, das Thema Klimawandel und Gesundheit in die medizinische Ausbildung zu integrieren. Zur Frage der Notwendigkeit der Integration des Themas Klima und Gesundheit in das (medizinische) Curriculum gibt es eine allgemeine Zustimmung [5], [6], [7] und bereits erste Umsetzungsideen [6], [8]. An mehreren deutschen Universitäten werden Ringvorlesungen, Seminare oder Workshops zum Thema angeboten [9], [10], [11], [12], [13], [14], [15]. Auch das Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP) möchte dieses Thema künftig im Staatsexamen vermehrt abbilden [16].

Nach dem Wissen der Autorinnen und Autoren liegen derzeit im deutschsprachigen Raum keine wissenschaftlichen Studien vor, die

1.
analysieren, wie eine Lehrveranstaltung zum Thema Klimawandel und Gesundheit unter Einbezug der Studierendenmeinung erfolgreich ins medizinische Curriculum integriert werden kann und
2.
eine mögliche Veränderung in Umweltwissen und -bewusstsein der Studierenden durch die Integration dieses Themas ins Curriculum untersucht haben.

Bisher gab es an der Universität Ulm nur vereinzelte Angebote zum Thema Klimawandel. Neben der Arbeit von Hochschulgruppen und einer Ringvorlesung „Nachhaltigkeit“ als additive Schlüsselqualifikation für alle Studierende der Universität Ulm wurde das Thema im medizinischen Curriculum nur marginal in einzelnen Veranstaltungen beleuchtet. Eine umfassende und zielgerichtete Veranstaltung gab es bisher nicht.

1.2. Ziel und Fragestellungen der Studie

Um Studierenden der Humanmedizin ein umfassendes und auf die Zielgruppe ausgerichtetes Angebot zu bieten, wurde das Wahl-Pflichtfach „Klimawandel und Gesundheit“ für den vorklinischen Studienabschnitt konzipiert und erstmalig implementiert.

In der vorliegenden Studie wurde weiterhin untersucht, wie eine Lehrveranstaltung zum Thema auf die Zielgruppe ausgerichtet in das Curriculum der Humanmedizin integriert werden kann und ob diese von den Studierenden akzeptiert wird. Daneben wurde analysiert, ob die Teilnahme am Wahl-Pflichtfach zu Veränderungen im Umweltwissen der Studierenden führt, welches neben Kenntnis der wissenschaftlichen Grundlagen und aktuellen Situation auch die (gesundheitlichen) Folgen des Klimawandels umfasst. Zuletzt wurde erhoben, ob die Teilnahme am Wahl-Pflichtfach Veränderungen im Umweltbewusstsein der Studierenden bewirkt. Für eine detailliertere Betrachtung wurde das Umweltbewusstsein in drei Bereiche gegliedert. Im Teilbereich Umweltaffekt/Umweltemotion geht es um die emotionale Betroffenheit, bei der Umweltkognition/Umweltwahrnehmung um eine rationale Einschätzung und beim Umweltverhalten um das aktive umweltbewusste Handeln [17].


2. Material und Methoden

2.1. Teilnehmende und Inhalt des Wahl-Pflichtfachs

Studierende der Humanmedizin der Medizinischen Fakultät Ulm können im vorklinischen Studienabschnitt (1.-4. Semester) aus verschiedenen Angeboten ein Wahl-Pflichtfach wählen. Der Kurs „Klimawandel und Gesundheit“ wird seit dem Wintersemester (WS) 2020/21 2x jährlich im Online-Format in der vorlesungsfreien Zeit von zwei der Autoren (SJK, MK) angeboten. Der Kurs umfasst 28 akademische Stunden und wird als Blockseminar durchgeführt. Inhaltlich beschäftigt er sich mit den wissenschaftlichen Grundlagen sowie Ursachen und Folgen des Klimawandels, wie der Klimawandel eine Gefahr für die menschliche physische und psychische Gesundheit darstellt, welchen Einfluss das Gesundheitswesen auf den Klimawandel hat und wie es seinen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann. Zudem werden Lösungsansätze auf politischer, technischer und individueller Ebene sowie klimafreundliche Alternativen für Beruf und Alltag diskutiert (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]).

2.2. Schrittweise Implementierung des Wahl-Pflichtfachs
2.2.1. Erster Umlauf (WS 2020/21)

An vier synchronen Onlineterminen fanden Vorträge mit anschließender Diskussion statt (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]). In selbstorganisierten Lernphasen bereiteten sich die Studierenden in Teams und mit Literatur [18], [19], [20] auf einen Elevator Pitch vor, in welchem sie einen Klinikdirektor von der Idee des klimaneutralen Krankenhauses überzeugen sollten. Eine wissenschaftliche Begleitung und Evaluation fand durch Interviews und Fragebögen statt.

2.2.2. Zweiter Umlauf (Sommersemester (SS) 2021)

Obgleich das Grundkonzept beibehalten wurde, wurden auf Basis der Studierendenrückmeldungen Optimierungen vorgenommen:

1.
Organisation: Der Zeitrahmen wurde von vier auf zehn Tage erweitert, um mehr Zeit für Recherche und Gruppenarbeit zu schaffen. Für eine gegenseitige Vorstellung sowie mehr Interaktion und Inhalt wurden fünf synchrone Onlinetermine abgehalten.
2.
Inhalt: Erweiterung durch vertiefende physiologische und gesundheitliche Aspekte (Einfluss von Hitze auf den menschlichen Körper, gesundheitliche Gefahren durch Vibrionen, Zerkarien, Blaualgen und Eichenprozessionsspinner). Der Name Elevator Pitch wurde in Klima Pitch geändert.
2.3. Studiendesign und Studienteilnehmer
2.3.1. Erster Umlauf (WS 2020/21)

An den qualitativen als auch quantitativen Erhebungen nahmen alle Teilnehmende (n=11) teil (siehe Abbildung 2 [Abb. 2]). Dabei wurden die Studierenden nach dem Kurs in Einzel-Gesprächen interviewt. Mithilfe des offiziellen Evaluationsfragebogens der Medizinischen Fakultät Ulm wurde online evaluiert. Vor (Prätest) und nach dem Kurs (Posttest) wurde ein Umweltfragebogen zu Umweltwissen und -bewusstsein online bearbeitet.

2.3.2. Zweiter Umlauf (SS 2021)

Auch der zweite Umlauf wurde von den Teilnehmenden des Wahl-Pflichtfaches (Interventionsgruppe (IG), n=16) über den offiziellen Evaluationsfragebogen evaluiert. Zudem wurden Veränderungen in Umweltwissen und -bewusstsein der IG unter Einbezug einer Vergleichsgruppe (VG) mit (n=25) wissenschaftlich analysiert. Die VG setzte sich ebenfalls aus Studierenden der Humanmedizin des vorklinischen Studienabschnitts zusammen, nahm jedoch nicht am Wahl-Pflichtfach teil, bearbeitete jedoch zeitgleich zur IG die Prä- und Posttests des Umweltfragebogens.

2.4. Datenerhebung und -auswertung
2.4.1. Analyse der Durchführbarkeit des Kurses durch Einzel-Interviews

Mithilfe von qualitativen teilstrukturierten Interviews wurde die Meinung der Studierenden im WS 2020/21 zum Kurs und der Integration des Themas Klimawandel und Gesundheit in das medizinische Curriculum erfragt. Dafür entwickelten die Autorinnen und Autoren einen Fragenkatalog in Anlehnung an die SPSS-Methode aus den Publikationen von Helfferich [20] und Kruse [21], welche der Leitfadenerstellung für qualitative Befragungen dient. Das Akronym SPSS steht für die zentralen Bestandteile während der Entwicklung des Leitfadens sammeln, prüfen, sortieren und subsumieren [22]. Der in dieser Studie verwendete Fragenkatalog enthielt neun Fragen, die möglichst viele Aspekte zu Ablauf und Inhalt des Kurses thematisierten. Die Studierenden hörten die Fragen während des Interviews zum erstem Mal. Die Einzelinterviews wurden online über die Kommunikationsplattform Cisco WebEx (Cisco Systems, Version 41.1.2.16) durchgeführt. Sie wurden nach schriftlicher und mündlicher Zustimmung der Befragten anonym aufgezeichnet und transkribiert. Anschließend wurden sie mithilfe einer strukturierenden Inhaltsanalyse nach Mayring kodiert, kategorisiert und ausgewertet [23]. Dabei wurden ähnliche Antworten unter einem Überbegriff zusammengefasst, um die zahlreichen Aspekte der Befragungen übersichtlich darzustellen.

2.4.2. Analyse der Akzeptanz des Kurses durch einen Evaluationsfragebogen

Für die Evaluation des Kurses wurde der offizielle Online-Fragebogen der Medizinischen Fakultät Ulm herangezogen. Mit dem in Anlehnung an Rindermann [24] konzipierten Evaluationsfragebogen konnte auf einer Skala des Likert-Typs von 1 (trifft gar nicht zu) bis 6 (trifft völlig zu) bewertet werden:

1.
Organisation, Struktur und Aufbau der Veranstaltung,
2.
Lehrengagement der Dozierenden,
3.
Lernziele und Lerninhalte der Veranstaltung,
4.
Didaktische Umsetzung.

Daneben standen Freitextfelder für Lob, Kritik und Verbesserungsvorschläge zur Verfügung.

Die Evaluationsfragebögen beider Umläufe wurden miteinander verglichen, um den Mehrwert der Optimierung des Wahl-Pflichtfachs abschätzen zu können.

2.4.3. Analyse von Umweltwissen und -bewusstsein durch einen Umweltfragebogen

Prä- und Posttest: Die quantitative Erhebung wurde mit dem Online-Tool Unipark (Tivian XI GmbH, EFS Survey, Version 21.2) durchgeführt. Über den standardisierten Umweltfragebogen wurden im Prätest demographische Daten wie Alter, Geschlecht, Studiengang, Semester und ehrenamtliches Engagement im Umweltschutz erhoben. Die Umfrage beinhaltete 19 eigens formulierte Multiple-Choice-Wissensfragen, daneben 30 Items zu Umweltbewusstsein – acht Items zu Umweltemotion, je neun Items zu Umweltwahrnehmung und -verhalten (siehe Tabelle 2 [Tab. 2], Tabelle 3 [Tab. 3] und Tabelle 4 [Tab. 4]) und vier studierendenspezifische Items mit einer Bewertung auf einer Skala des Likert-Typs von 1 (trifft überhaupt nicht zu) bis 6 (trifft völlig zu). 17 der 30 Umwelt-relevanten Items stammten aus bereits existierenden Fragebögen des Umweltbundesamtes [25], des Bundesministeriums für Umwelt [26] und der Bundeszentrale für politische Bildung [27]. Daneben entwickelten die Autorinnen und Autoren 13 neue Items, die sich inhaltlich am Kurs orientierten. Über 10 weitere Items, die speziell auf die Inhalte des Kurses eingingen, konnte die IG im Posttest angegeben, ob und inwieweit neue Erkenntnisse oder eine zusätzliche Motivation zu einem nachhaltigeren Lebensstil gewonnen wurden (siehe Abbildung 3 [Abb. 3]). In Freitextfeldern konnten Lob, Kritik sowie Anregungen geäußert werden. Die Online-Umfrage des SS 2021 wurde gegenüber der des WS 2020/21 um vier selbst entwickelte studierendenspezifische Items erweitert (siehe Tabelle 5 [Tab. 5]).

Im Vorfeld begutachteten die Tests 9 Personen unserer Arbeitsgruppe nach unklaren oder missverständlichen Formulierungen und der Bearbeitungsdauer. Alle Umfragen waren pseudo-anonymisiert und wurden freiwillig mit Einwilligungserklärung ausgefüllt.

Die Daten der Umweltfragebögen wurden mit der Statistiksoftware IBM SPSS Statistics Version 25 ausgewertet. Bei der statistischen Auswertung des Umweltwissens wurde für die Signifikanzanalyse zwischen Prä- und Posttest innerhalb der einzelnen Gruppen (verbundene Stichproben) der Wilcoxon-Vorzeichen-Rang-Test verwendet. Veränderungen ab einem p-Value <.05 wurden als signifikant betrachtet.

Um mögliche Veränderungen im Umweltbewusstsein anschaulich darzustellen, wurden mehrere deskriptive Vergleiche durchgeführt: Zum einen wurde untersucht, ob es zu Veränderungen zwischen den Prä- und Posttests innerhalb der einzelnen Gruppen kommt. Zum anderen wurden auch Unterschiede zwischen den Prätests von VG und IG deskriptiv betrachtet.

2.5. Ethik

Die Ethikkommission der Universität Ulm entschied im Vorfeld, dass für die wissenschaftliche Studie kein Ethikantrag nötig sei.


3. Ergebnisse

3.1. Ergebnisse aus dem 1. Umlauf im WS 2020/21

Da der 1. Umlauf als Pilotstudie ohne Vergleichsgruppe durchgeführt wurde, werden nur beispielhaft einige Ergebnisse vorgestellt. Während der Umweltfragebogen als Teil der Lehrveranstaltung von allen n=11 Teilnehmenden bearbeitet wurde, ist die geringe Rücklaufquote des Evaluationsfragebogen (n=7) auf dessen freiwillige Bearbeitung im Anschluss an den Kurs zurückzuführen. Die Auswertung der soziodemographischen Daten aus dem Umweltfragebogen zeigte, dass die Teilnehmenden im Durchschnitt 21,80 Jahre alt waren. Die Geschlechterverteilung war ausgeglichen. Keiner der Befragten engagierte sich ehrenamtlich im Umweltschutz. Ein Teilnehmer hatte bereits ein Onlineseminar zu einer ähnlichen Thematik besucht (siehe Tabelle 6 [Tab. 6]).

3.1.1. Ergebnisse zur Durchführbarkeit und Akzeptanz des Kurses

Für ein tiefergehendes Feedback hinsichtlich der Umsetzbarkeit des Kurses wurden Einzelinterviews mit allen Teilnehmenden (n=11) durchgeführt, welche zusammengefasst folgende Erkenntnisse lieferten: das Grundkonzept des Kurses mit Gruppenarbeit sollte beibehalten werden. Der Kurs kann sowohl online, in Präsenz, aber auch als Hybridformat angeboten werden. 82% (n=9) der Befragten sahen im Besuch des Kurses einen Mehrwert für ihren zukünftigen Beruf. Rund 73% (n=8) der Studierenden wussten im Vorfeld nicht (eindeutig), welche Auswirkungen der Klimawandel auf ihre Arbeit und Patienten hat. Nur 9% (n=1) fühlten sich vor dem Kurs ausreichend zum Thema informiert (Details siehe Tabelle 7 [Tab. 7]).

Über den offiziellen Evaluationsfragebogen wurde in allen vier Themenbereichen sehr gut (Mittelwerte zwischen 5,8 und 5,9; n=7) bewertet. Auch die Freitexte im Umweltfragebogen (Posttest) waren sehr positiv: „Sehr gelungener Einstieg in ein überaus relevantes Thema“, „Ich wünschte mir, alle Menschen hätten die Möglichkeit derartig umfassend informiert zu werden und mit wissenschaftlichen Argumenten überzeugt zu werden“.

3.1.2. Ergebnisse zum Umweltwissen

Beim Vergleich der Wissensfragen zeigte sich, dass die Studierenden ihr Umweltwissen signifikant von durchschnittlich 7,09 (Prätest) auf 12,45 (Posttest) richtig beantwortete Fragen verbessern konnten (p<.001, t=-3,20).

3.1.3. Ergebnisse zum Umweltbewusstsein

Die Teilnehmenden waren bereits vor dem Kurs sehr umweltbewusst (siehe Tabelle 8 [Tab. 8], A), sodass im Posttest lediglich eine deskriptive Steigerung des Umweltbewusstseins zu beobachten war. Die Studierenden stimmten dem Item „Ich fühle mich machtlos, weil ich denke, dass wir Bürgerinnen und Bürger im Vergleich zur Industrie kaum zur Energieeinsparung beitragen können“ im Posttest durchschnittlich weniger zu. Bei der Umweltwahrnehmung zeigten sich deutliche Unterschiede in der Bewertung der Items „Wir Bürgerinnen und Bürger können durch unser Konsum- und Mobilitätsverhalten wesentlich zum Umweltschutz beitragen“ (MPrä=5,18 (SD=0,87), MPost=5,82 (SD=0,41)) und „Für eine gute Gesundheitsversorgung ist der Klimaschutz unerlässlich“ (MPrä=4,82 (SD=1,17), MPost=6,00 (SD=0,00)) (siehe Tabelle 8 [Tab. 8], B). Das Umweltverhalten der Teilnehmenden war bereits im Prätest sehr positiv (siehe Tabelle 8 [Tab. 8], C). Bei dem Item „Ich informiere mich mehrmals pro Woche privat über die aktuellen Fakten zum Thema Umwelt- und Klimaschutz (z.B. über Zeitschriften/online/TV)“ ist im Durchschnitt eine höhere Zustimmung im Posttest zu beobachten (siehe Tabelle 8 [Tab. 8], D).

Weiterhin zeigte sich im Posttest eine hohe Bereitschaft zur Umsetzung nachhaltiger und umweltschonender Maßnahmen im künftigen Berufsleben (siehe Abbildung 3 [Abb. 3]).

3.2. Ergebnisse aus dem 2. Umlauf im SS 2021

Der optimierte Kurs (Optimierungen in Kapitel 2.2) wurde im SS 2021 unter Einbezug einer VG durchgeführt. Auch hier wurde der Umweltfragebogen sowohl vor (n=16) als auch nach (n=15) dem Kurs von (fast) allen Teilnehmenden der IG bearbeitet, wohingegen nur n=6 Studierende den Kurs über den freiwilligen Evaluationsfragebogen bewerteten. Die soziodemographischen Daten des Umweltfragebogens ergaben, dass VG und IG im Hinblick auf Studiengang, Semester, Alter und Geschlechterverteilung vergleichbar waren. Die Studierenden der IG engagierten sich häufiger ehrenamtlich im Umweltschutz als die der VG (siehe Tabelle 9 [Tab. 9]).

3.2.1. Ergebnisse zur Akzeptanz des Kurses

Da im SS 2021 keine Einzelinterviews mit den Teilnehmenden geführt wurden, wurde die Akzeptanz des Kurses lediglich über den Evaluationsfragebogen erhoben, welchen die IG sehr positiv bewertete (Mittelwerte zwischen 5,8 und 6,0; n=6). Das Item „Die Online-Lehre konnte die Präsenzlehre in Bezug auf die Lernziele adäquat ersetzen“ konnte im Vergleich zur Evaluation im WS 2020/21 von 4,9 auf 5,5 Punkte (SD=0,80; n=6) verbessert werden.

Aus dem Umweltfragebogen geht hervor, dass der Kurs die inhaltlichen Erwartungen der Studierenden erfüllte (siehe Abbildung 3 [Abb. 3]).

Zudem äußerten sich die Teilnehmenden in den Freitexten des Umweltfragebogens (Posttest) positiv: „Dieses Fach hat in jedem Studium seine Berechtigung, da es jeden betrifft“, „Solche und ähnliche Wahlfächer sollten in jedem Studiengang verpflichtend sein!“, „Trotz der ernsthaften (und teils auch deprimierenden) Thematik hat mich das Seminar sehr motiviert, mehr an meinem eigenen CO2-Fußabdruck zu arbeiten“.

Auch die VG zeigte positive Freitextkommentare: „Sehr gut, dass eine solche Umfrage gemacht wird“, „Es wäre schön, falls sich Institute mit dem Klimawandel und seinen Folgen beschäftigen, in regelmäßigem Turnus (1-2 Monate) über die aktuelle Lage/Forschung informiert zu werden. Gerne als Vorlesung/Meeting“, „Ich find es sehr gut, dass das Thema an der Uni Ulm vorgestellt wird und es hierzu Angebote/Umfragen gibt“.

3.2.2. Ergebnisse zum Umweltwissen

Bei der Analyse des Umweltwissens zeigte sich ein signifikanter Wissenszuwachs in der IG (MPrä=6,31 (SD=2,12), MPost=10,93 (SD=4,18), p<.0001, t=-7,94), während sich die VG bei der Beantwortung der Wissensfragen deskriptiv verschlechterte (MPrä=7,44 (SD=2,16), MPost=7,12 (SD=2,86), p>.05, t=-0,53) (siehe Abbildung 4 [Abb. 4]).

3.2.3. Ergebnisse zum Umweltbewusstsein

Deutliche Differenzen im Umweltbewusstsein zwischen VG und IG zeigten sich bereits im Prätest bei beispielsweise den Items „Es ist mir wichtig, dass mein zukünftiger Arbeitgeber auf die Umweltbilanz seines Unternehmens/seiner Institution achtet“ (MPrä VG=4,00 (SD=1,08), MPrä IG=4,87 (SD=0,99)) und „Im Medizinstudium sollte das Thema Klimawandel verpflichtend für alle Studierenden integriert werden“ (MPrä VG=3,80 (SD=1,66), MPrä IG=4,93 (SD=1,10) (siehe Tabelle 10 [Tab. 10]).

Im Bereich Umweltemotion bewertete die IG nahezu alle Items schon im Prätest nachhaltiger als die VG (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]).

Die IG stimmte dem Item „Es beunruhigt mich, wenn ich daran denke, in welchen Umweltverhältnissen unsere Kinder und Enkelkinder wahrscheinlich leben müssen“ im Posttest durchschnittlich höher zu (MPrä=5,38 (SD=0,72), MPost=6,00 (SD=0,00)) als im Prätest. Umgekehrt stimmte die IG dem Item „Ich fühle mich machtlos, weil ich denke, dass wir Bürgerinnen und Bürger im Vergleich zur Industrie kaum zur Energieeinsparung beitragen können“ im Posttest deskriptiv weniger zu als im Prätest, wohingegen die VG diese Aussage in beiden Tests vergleichbar bewertete (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]). Bei der Umweltwahrnehmung waren weder in der IG noch in der VG deutliche Änderungen von Prä- zu Posttest zu beobachten (siehe Tabelle 3 [Tab. 3]).

Beim Umweltverhalten zeigte die IG schon im Prätest eine hohe Zustimmung, was sich im Posttest in den meisten Items noch verbesserte. In der VG war teilweise eine Verschlechterung von Prä- zu Posttest zu beobachten (siehe Tabelle 4 [Tab. 4]). Die IG stimmte u.a. folgenden studierendenspezifischen Aussagen im Posttest deutlicher zu als im Prätest: „Ich weiß, durch welches Verhalten ich persönlich im Alltag möglichst viel zum Umwelt- und Klimaschutz beitragen kann“, „Ich fühle mich ausreichend über die aktuellen Fakten zum Thema Klimawandel informiert (z.B. durch Medien, Schule)“ und „Im Medizinstudium sollte das Thema Klimawandel verpflichtend für alle Studierenden integriert werden“, (siehe Tabelle 5 [Tab. 5]).

Die IG zeigte im Posttest eine hohe Motivation zur Umsetzung klimafreundlicher Alternativen (auch im zukünftigen Berufsleben) (siehe Abbildung 3 [Abb. 3]).


4. Diskussion

Die Studie zeigt, dass

1.
das Thema Klimawandel und Gesundheit als Wahl-Pflichtfach erfolgreich und auf die Zielgruppe ausgerichtet (unter Einbezug der Studierendenmeinung) in das humanmedizinische vorklinische Curriculum integriert werden kann und von den Studierenden akzeptiert wird.
2.
das Umweltwissen der Studierenden der Humanmedizin im vorklinischen Studienabschnitt durch das Wahl-Pflichtfach erhöht wird.
3.
die Teilnahme am Wahl-Pflichtfach kaum Veränderungen im Umweltbewusstsein der Studierenden der Humanmedizin im vorklinischen Studienabschnitt bewirkt.
4.1. Erkenntnisse zur Durchführbarkeit und Akzeptanz des Kurses

Die Bewertung des Wahl-Pflichtfachs über den Evaluationsfragebogen fiel im Vergleich zu anderen Lehrveranstaltungen der Medizinischen Fakultät Ulm überdurchschnittlich positiv aus.

Die Interviews aus dem 1. Umlauf liefern ein umfassendes Bild über die Wünsche und Erwartungen der Studierenden zur Implementierung eines Lehrangebots zum Thema, die auch auf andere universitäre Standorte übertragen werden können. Zum einen sieht ein Großteil angehender Medizinerinnen und Mediziner in diesem Angebot einen persönlichen Mehrwert für ihren zukünftigen Beruf. Zum anderen möchten fast alle Befragten ihre Vorbildfunktion im Klimaschutz nutzen. Der Kurs dient also nicht nur zur Information, sondern ermutigt die Teilnehmenden auch, eine Multiplikatorfunktion einzunehmen. Interessant ist auch, dass sich die Mehrheit der Studierenden trotz hohem Interesse zum Thema vor dem Besuch des Kurses weder ausreichend über den Klimawandel informiert fühlte, noch dessen Auswirkungen umfassend abschätzen konnte. Diese Lücke muss dringend geschlossen werden, um die Basis für eine adäquate klimabezogene Patientenversorgung in der Zukunft zu schaffen.

Aus allen Datensätzen ist insgesamt ersichtlich, dass sich die Befragten für die Integration des Themas in das medizinische Curriculum aussprechen. Dies deckt sich mit den Forderungen der UNESCO (2020), das Thema Nachhaltigkeit in alle Bildungsbereiche zu integrieren [28]. Hervorzuheben ist, dass sich die IG im Posttest des Umweltfragebogens einer verpflichtenden Integration des Themas ins Studium in hohem Maße zustimmen (siehe Tabelle 5 [Tab. 5]). Dies zeigt, dass die Studierenden die Wichtigkeit des Themas nach Besuch des Kurses deutlich höher einschätzten. Obwohl die VG dieser Aussage nur bedingt zustimmt, sprechen sich auch einige Studierende der VG für eine Integration des Themas ins Curriculum aus. Dies unterstreicht die These, dass die Integration von Klimathemen in die universitäre Lehre nicht an der mangelnden Motivation der Studierenden scheitert, wie auch in der Literatur beschrieben [6].

Aus den Freitexten des Umweltfragebogens der IG im WS 2020/21 und SS 2021 ist ersichtlich, dass der Kurs sehr lehrreich und wichtig für die Studierenden ist. Den Autorinnen und Autoren erscheint die Integration des Themas in Form eines longitudinalen Curriculums sinnvoll. Zum einen könnten Teilaspekte der Problematik passgenau in bereits existierende Lehrveranstaltungen integriert werden, um direkte Zusammenhänge zu verdeutlichen. Zum anderen wäre es interessant zu untersuchen, ob es durch die ständige Wiederholung über einen längeren Zeitraum zu deutlicheren Veränderungen im Umweltwissen und -bewusstsein der Studierenden kommt [29].

4.2. Einfluss auf das Umweltwissen der Studierenden

Das Umweltwissen der Teilnehmenden des Wahl-Pflichtfachs konnte sowohl im 1. als auch im 2. Umlauf gesteigert werden (siehe Abbildung 4 [Abb. 4]). Somit stellt die Wissensvermittlung auf universitärer Ebene eine gute Möglichkeit dar, die junge Generation über den Klimawandel und dessen Auswirkungen aufzuklären. Unterstützt wird diese Beobachtung durch die Selbsteinschätzung der Studierenden, die sich nach dem Besuch des Kurses deutlich besser zum Thema informiert fühlen (siehe Tabelle 5 [Tab. 5]). Untersuchungen haben gezeigt, dass ein erhöhtes Wissen über die Auswirkungen des Klimawandels zu einer größeren Besorgnis und gleichzeitig zu einer erhöhten Handlungsbereitschaft führt [30], [31]. Unsere Auswertungen zeigen dieselben Zusammenhänge: Die Teilnahme am Wahl-Pflichtfach führte zu einem gesteigerten Umweltwissen und einer größeren Besorgnis unter den Teilnehmenden, während gleichzeitig das Erkennen ihrer Selbstwirksamkeit gestärkt wurde (siehe Tabelle 2 [Tab. 2] und Tabelle 5 [Tab. 5]). Es liegt nahe, dass ein Grundwissen zum Klimawandel benötigt wird, bevor das persönliche Verhalten adäquat angepasst wird [32].

4.3. Effekte auf das Umweltbewusstsein der Studierenden

Umweltemotion und -wahrnehmung der IG konnten in beiden Umläufen kaum beeinflusst werden. Ein Grund könnte darin liegen, dass die die Teilnehmenden bereits vor dem Wahl-Pflichtfach sehr umweltbewusst waren. Dafür sprechen die freiwillige Anmeldung zum Kurs und die Tatsache, dass die IG im SS 2021 einige Items bereits vor dem Kurs umweltbewusster bewertete als die VG. Es stellt sich also die Frage, inwieweit eine Steigerung hier überhaupt realistisch ist. Trotzdem sei erwähnt, dass unter allen Befragten eine starke Beunruhigung im Hinblick auf die Auswirkungen des Klimawandels zu beobachten ist. Dies deckt sich mit den Berichten aus der Literatur über eine generell hohe Beunruhigung in der Gesellschaft in Bezug auf den Klimawandel [32].

Da jeder einzelne bei der Beurteilung der Folgen des Klimawandels neben den Fakten auch auf persönliche Erfahrungen zurückgreift, kann es zu kognitiven Verzerrungen kommen. So werden beispielsweise vor allem die Informationen wahrgenommen und kommuniziert, die die eigene Haltung bestärken. Häufig wird auch dem persönlichen umweltfreundlichen Handeln (z.B. dem Einkauf von Bio-Produkten) mehr Gewicht zugeschrieben als den täglichen Umweltsünden (z.B. Autofahren, Wasserverschwendung, Müllproduktion). Dies führt häufig dazu, dass der Klimawandel oder die (eigenen) Bemühungen zum Klimaschutz subjektiv anders eingeschätzt werden, als sie sich objektiv darstellen [33]. Häufig kommt es erst zu einer Veränderung der Überzeugungen, wenn man persönlich von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen ist [34].

Unsere Studie zeigt zudem, dass die IG im Posttest überzeugter ist, einen eigenen Beitrag im Umweltschutz leisten zu können. Dennoch hatte der Kurs auf die Items zum Umweltverhalten zwischen Prä- und Posttest keinen erkennbaren Einfluss. Dies deckt sich mit der in der Literatur viel beschriebenen Kluft zwischen Umweltwissen und -handeln [6], [35], [36]. Die IG zeigte bereits im Prätest eine hohe Bereitschaft zu einem nachhaltigen Verhalten (v.a. in Konsum und Mobilität). Zudem ist fraglich, ob der Impuls durch das Wahl-Pflichtfach innerhalb eines kurzen Zeitraums von ca. zwei Wochen ausreicht, um eine Verhaltensänderung zu bewirken. Trotzdem zeigt die höhere Zustimmung der IG im Posttest zu der Aussage „Ich weiß, durch welches Verhalten ich persönlich im Alltag möglichst viel zum Umwelt- und Klimaschutz beitragen kann“, dass die Studierenden neue Ideen zur Etablierung eines nachhaltigeren Verhaltens sammeln konnten. Daneben ist auch in den kursspezifischen Fragen des Posttests eine hohe Motivation zur Umsetzung von klimafreundlichen Maßnahmen erkennbar.

4.4. Limitationen

Bei der Betrachtung von Veränderungen im Umweltbewusstsein der Studierenden innerhalb und zwischen den einzelnen Gruppen handelt es sich nicht um statistische Berechnungen, sondern lediglich um deskriptive Vergleiche. Vor allem die Erhebungen des 1. Umlaufs wurden mit einer geringen Probandenzahl und ohne VG durchgeführt. Die Ergebnisse konnten allerdings durch den 2. Umlauf mit einer VG verifiziert werden.

Auch am offiziellen Evaluationsfragebogen nahmen nur wenige Studierende teil (WS 2020/21: n=7, SS 2021: n=6), weshalb diese Bewertungen nur als Orientierung dienen können. Die Autorinnen und Autoren führen die geringe Anzahl auf die Freiwilligkeit der Teilnahme an und die online Bearbeitung der Evaluation zurück.

Auch fand die Intervention, die Durchführung des Wahl-Pflichtfachs, jeweils in einem recht kurzen Zeitraum statt. Ob dadurch eine tiefgreifende Bewusstseinsänderung bei Studierenden bewirkt werden kann, ist fraglich. Durch die Implementierung und wissenschaftliche Begleitung eines longitudinalen Curriculums könnten mögliche langfristige Veränderungen untersucht werden (Details oben) [29].

Die freiwillige Anmeldung der Teilnehmenden zum Kurs deutet darauf hin, dass der IG die Wichtigkeit der Thematik schon vor der Intervention bewusst war, man spricht in diesem Zusammenhang auch von „Selektionsbias“. Dadurch, dass sich die Studierenden (bereits vor dem Wahl-Pflichtfach) pro-aktiv mit der Thematik auseinandersetzen, ist eine neutrale Betrachtung der Veränderungen in Umweltwissen und -bewusstsein nicht möglich.


5. Zusammenfassung und Ausblick

Zusammenfassend zeigt sich, dass die Implementierung des Wahl-Pflichtfachs Klimawandel und Gesundheit an der Medizinischen Fakultät Ulm erfolgreich war, da es von den Teilnehmenden in Interviews, Evaluationen und Freitexten positiv bewertet wurde. Die Studierenden konnten ihr Wissen zur Thematik deutlich steigern und neue relevante Erkenntnisse für ihren zukünftigen Beruf erlangen. Obwohl nur wenige Veränderungen im Bereich des Umweltbewusstseins zu beobachten sind, empfehlen wir die Implementierung ähnlicher Angebote auch an anderen Universitäten.

Wir müssen aber davon ausgehen, dass sich vorzugsweise die ohnehin sehr umweltbewussten Studierenden für eine solche Lehrveranstaltung anmelden. Interessant wäre es zu untersuchen, zu welchen Ergebnissen man durch eine Intervention in einer (weniger umweltbewussten) durchschnittlichen Studierendengruppe kommen würde. Dadurch würde man den „Selektionsbias“ vermeiden und könnte untersuchen, wie gewinnbringend die Thematisierung des Klimawandels in der universitären Lehre ist.

Es bleibt die Frage, wie man Studierende erreicht, die sich nicht aktiv mit dem Klimawandel auseinandersetzen. Dafür könnte eine Pflichtveranstaltung zum Thema in das medizinische Curriculum in Betracht gezogen werden, um allen Studierenden Grundlagen und Auswirkungen des Klimawandels näher zu bringen. Zudem wäre es interessant zu untersuchen, ob ein longitudinales Curriculum über einen längeren Zeitraum eher eine Bewusstseinsänderung bei den Teilnehmern bewirkt.


Danksagung

Wir möchten uns bei allen Beteiligten, insbesondere bei Dr. Achim Schneider, für die Unterstützung bei der Fragebogenentwicklung, und bei den Studierenden für die Teilnahme an den Umfragen bedanken.

Weiterhin danken wir Ute von Wietersheim (MBA, VW Translation Services) für die englische Übersetzung des Manuskripts.


Interessenkonflikt

Die Autor*innen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


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