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Hausärztliche Versorgung von Patienten mit Multimorbidität – Entwicklung und Pilotierung einer Intervention
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Published: | September 14, 2011 |
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Hintergrund: Das Chronic Care Model (CCM) von Wagner et al. [1] definiert vier Elemente einer optimalen Behandlung von chronisch kranken Patienten auf der direkten Arzt-Patient-Ebene: Dies sind 1. gemeinsame Definition von Problemen durch Patient und Hausarzt, 2. Verhandlung, Planung und Zielsetzung, 3. Kontinuum von Selbstmanagementtraining und externer Unterstützung und 4. aktives und kontinuierliches Follow-up. Wie diese Elemente in die hausärztliche Versorgungspraxis einzubringen sind, ist bisher allerdings nicht entschieden. Auch ist unklar, wie diese Elemente bei Patienten mit Multimorbidität (MM) umgesetzt werden sollen. Im Rahmen dieser Studie wurde basierend auf dem CCM sowie dem Konzept der narrativen Medizin eine Intervention entwickelt und pilotiert.
Material und Methoden: Die Intervention besteht aus einer regelmäßigen MM-Sprechstunde von mindestens 30 Minuten Dauer pro Patient. Diese Sprechstunde erfolgt im Verlauf eines Jahres 1 x pro Quartal. Inhalte sind:
- 1.
- Das Perspektivengespräch: es dient der Überprüfung des hausärztlichen Behandlungsauftrags. Die gemeinsame Reflexion wird vom Patienten gesteuert.
- 2.
- Ein Medikamentencheck, zu dem der Patient alle Medikamente von Zuhause mitbringt und sie zusammen mit dem Hausarzt durchgeht.
- 3.
- Eine inhaltlich offene Sprechstunde.
- 4.
- Das Perspektivengespräch 2: dieses dient der Re-Evaluation des zurückgelegten Weges, des Erreichten und der gemeinsamen Aktualisierung der Zielsetzung.
Alle Sprechstunden basieren auf dem Konzept der narrativen Medizin d.h. der Patient erzählt, der Arzt hört vorrangig zu. Zur Entlastung wurde den Hausärzten für in die Studie eingeschlossene Patienten die Unterstützung durch einen ambulanten Sozialdienst angeboten.
Ergebnisse: 20 Hausärzte in Hamburg und Düsseldorf wurden in die Studie eingeschlossen. Rund ¾ der Hausärzte und Patienten erlebten die Perspektivengespräche positiv. Wichtigste Ergebnisse des 1. Perspektivengespräches waren aus Hausarztsicht die Vergewisserung, dass der Patient zufrieden sei (23%) und der Erhalt wichtiger Informationen über die Persönlichkeit des Patienten (20%), über Symptome/Erkrankungen (17%) sowie die Familie bzw. soziale Situation (15%). Im Medikamentencheck präsentierten die 128 Patienten insgesamt 1305 Medikamente (9,2±5,2/Patient). 27% der präsentierten Medikamente waren auffällig: bei 13% wusste der Hausarzt nichts von der Einnahme, in 6% der Fälle nahm der Patient das verschriebene Medikament nicht, 8% sonstige Auffälligkeiten (z.B. Nebenwirkungen). Bei 17% aller betrachteten Medikamente wurde eine Änderung mit dem Patienten vereinbart.
Die 3. Sprechstunde erwies sich als verzichtbar. Der ambulante Sozialdienst wurde von den Hausärzten nicht in Anspruch genommen.
Schlussfolgerung/Implikation: Die Intervention ist durchführbar und wurde von Patienten und Hausärzten bis auf den Sozialdienst gut angenommen. 2011 startet eine cluster-randomisierte, kontrollierte Studie, um Effekte der Intervention auf Patienten zu untersuchen.