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Durch Datenlinkage die Versorgungsrealität abbilden! Ein kleiner Wegweiser zur Nutzung von GKV-Routinedaten im Rahmen von Kohortenstudien
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Published: | September 26, 2017 |
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Hintergrund: Im Rahmen von Kohortenstudien können umfassende Primärdaten zur Beantwortung verschiedenster gesundheitsrelevanter Fragestellungen gewonnen werden. Zur Abbildung genauer Behandlungspfade oder um Zusammenhänge zwischen Ereignissen herstellen zu können, werden dabei auch immer wieder genaue Angaben zu Diagnosen, Arztkontakten, Krankenhausaufenthalten oder eingenommenen Medikamenten benötigt. Die entsprechenden Informationen können durch Befragungen allein allerdings nur unvollständigen und ungenau erhoben werden. In den Abrechnungsdaten gesetzlicher (und privater) Krankenversicherungen (GKV) liegen die Angaben zwar in ausreichender Präzision vor, jedoch fehlen hier andere wichtige Informationen für die Forschung, beispielsweise zum Lebensstil oder zu relevanten Laborparametern. Es ist daher nicht überraschend, dass immer häufiger primär gewonnene Daten mit GKV-Abrechnungsdaten verknüpft werden, um so die Vorteile beider Datenquellen zu kombinieren. Ein Beispiel dafür ist die NAKO Gesundheitsstudie (NAKO) (BMBF FKZ: 01ER1301A), in deren Rahmen von den 200.000 Teilnehmenden Primärdaten in 18 Studienzentren deutschlandweit durch Befragungen, medizinische Untersuchungen und Tests erhoben werden und anschließend mit diversen Sekundärdatenquellen verknüpft werden. Dazu gehören auch die Abrechnungsdaten der GKV.
Fragestellung/Methode: Ziel dieser Arbeit ist es, späteren Nutzern der NAKO-Daten, aber auch Wissenschaftlern, die eine Verknüpfung von Primärdaten einer Kohortenstudie mit GKV-Daten planen, Möglichkeiten und Hürden bei einem solchen Vorhaben am Beispiel der NAKO aufzuzeigen. Betrachtet werden drei relevante Faktoren: die Bereitschaft der Teilnehmenden zur Freigabe ihrer Daten, die Kooperationsbereitschaft der Krankenkasse sowie datenschutzrechtliche Rahmenbedingungen.
Ergebnisse: Um eine hohe Teilnahmebereitschaft bei den Teilnehmenden zu gewährleisten, ist vor Unterzeichnung der Einwilligung eine ausführliche Aufklärung über das geplante Vorgehen und die Art der zu erhebenden Daten von zentraler Bedeutung. Nur so können eine informierte Einwilligung gewährleistet und mögliche Sorgen der Teilnehmenden ausgeräumt werden. In der NAKO wurde das Erhebungspersonal, das für die Aufklärung und Einwilligung zuständig ist, in persönlichen Schulungen und in einem Webseminar eingehend informiert. Aktuell kann bei einer Einwilligungsquote von 91,1 Prozent (Stand: Februar 2017) zur Freigabe der Krankenkassendaten von einer sehr hohen Teilnahmebereitschaft gesprochen werden.
Nachdem die NAKO bei verschiedenen Krankenkassen vorgestellt wurde und diese sich von der Relevanz und einem sinnvollen Aufbau der Studie überzeugen konnten, besteht großes Interesse an einer Kooperation. Hürden, für die Lösungen gesucht werden müssen, sind primär fehlende zeitliche und personelle Ressourcen sowie fehlende Strukturen seitens der Krankenkassen. Ursächlich sind immer häufiger anstehende oder bereits durchgeführte Kassenfusionen. Die Lösungsansätze sind vielfältig und reichen vom Einbezug des zugehörigen Dachverbandes über die personelle Unterstützung bei der Datenziehung bis hin zur Erstattung anfallender Kosten.
Eine besondere Bedeutung kommt bei der Verknüpfung von Primärdaten mit GKV-Daten den (datenschutz-)rechtlichen Rahmenbedingungen zu. Je nach Aufbau der Studie zählen das Vorliegen einer informierten Einwilligung der Teilnehmenden und/oder eine Genehmigung des Antrags nach § 75 Sozialgesetzbuch X durch die zuständige Aufsichtsbehörde der Krankenkasse dazu. Aufgrund der Möglichkeit einer sehr restriktiven Auslegung von § 75 muss ein Antrag auf Übermittlung von Sozialdaten zu Forschungszwecken bei groß angelegten Vorhaben wie der NAKO Gesundheitsstudie große Hürden überwinden.
Diskussion/praktische Implikation: Immer mehr Forschende erkennen das große Potential, durch Verknüpfung von Primärdaten mit GKV-Routinedaten Versorgungsabläufe präziser darzustellen. Die Bereitschaft auf Seiten von Teilnehmenden und Krankenkassen ist gegeben. Allerdings besteht dringender Bedarf, auch die rechtlichen Rahmenbedingungen an die aktuellen Forschungsbedürfnisse anzupassen.