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Regionale Ventilation der Lunge bei Phonation – eine Studie mittels Elektro-Impedanz-Tomographie
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Published: | August 30, 2017 |
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Zusammenfassung
Hintergrund: Die Atmung ist neben dem laryngealen System und dem Vokaltrakt eine wichtige Kontrolleinheit der Stimmproduktion. Mittels Magnetresonanztomographie konnte gezeigt werden, dass sich die Atmungsorgane zwischen reiner Atmung und Phonationsatmung unterschiedlich verhalten. Es ist jedoch bisher unbekannt, ob sich auch die regionalen Ventilationsmuster der Lunge bei Phonation im Vergleich zur Atmung unterscheiden.
Material und Methoden: In der vorliegenden Studie wurde daher die regionale Lungenventilation bei 11 professionellen Sänger mittels Elektroimpedanztomographie (= EIT) untersucht. Diese Technik misst Schwankungen in der elektrischen Impedanz über der Lunge und ermöglicht darüber eine indirekte, nicht invasive, strahlungsfreie funktionale Echtzeit-Visualisierung des regionalen Luftgehaltes der Lunge.
Die Sänger wurden aufgefordert maximale Tonhaltedauern verschiedener Tonhöhen zu phonieren, sowie maximal Ein- und Auszuatmen. Die Impedanzkurven wurden im zeitlichen Verlauf und Amplitude normalisiert, um eine intra- und interindividuelle Vergleichbarkeit zu erreichen.
Ergebnisse: Die Ergebnisse zeigen, dass während der Phonation ein linearer Verlauf der Impedanzänderung unabhängig von der Tonhöhe auftritt, während dieser in reiner Atmung zunächst schnell und dann langsam ablief.
Diskussion: In den vorliegenden Ergebnissen konnte ein Unterschied in der Phonationsventilation zwischen Männern (Tenören) und Frauen (Mezzo- und Sopranistinnen) beobachtet werden: Bei den Sängerinnen wurde der ventrale Anteil der Lunge v.a. zu Beginn der Phonation stabiler gehalten und zeigte nur geringe Impedanzänderungen, auch war das Zentrum der Ventilation in seiner Position stabiler als bei den männlichen Sängern. Dies könnte ein Ausdruck eines geringeren anterior-posterioren Bewegungsausmaßes im Thorax und vorderen Zwerchfell bei Frauen sein.
Fazit: Mit zunehmender Professionalität zeigten die Sänger einen stärker linearen Verlauf der Impedanzkurven und damit der Lungenventilation, möglicherweise als Qualitätskriterium einer ökonomischen Atemstützfunktion.
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Hintergrund
Die Atmung ist neben dem laryngealen System und dem Vokaltrakt eine wichtige Kontrolleinheit der Stimmproduktion. Mittels Magnetresonanztomographie konnte gezeigt werden, dass sich die Atmungsorgane zwischen reiner Atmung und Phonationsatmung unterschiedlich verhalten. Es ist jedoch bisher unbekannt, ob sich auch die regionalen Ventilationsmuster der Lunge bei Phonation im Vergleich zur Atmung unterscheiden.
Die Elektroimpedanztomographie (EIT) ist eine Technik welche die regionale Ventilation über die Messung von Schwankungen in der elektrischen Impedanz über der Lunge misst [1]. Es wurde gezeigt, dass mit dieser Technik eine regionale Bestimmung des Luftgehaltes der Lunge möglich ist [2]. Sie erlaubt im klinischen [3], [4] und wissenschaftlichen [5], [6], [7] Kontext eine nicht invasive, strahlungsfreie Echtzeit-Visualisierung der regionalen Ventilation.
In der vorliegenden Studie wurde daher die regionale Lungenventilation bei professionellen Sängern mittels EIT untersucht. Ziel dieser Studie war es die regionale Gas-Verteilung während Atmung und Phonation vergleichend zu messen.
Methoden
Es wurden 11 professionelle Sänger (5 Frauen – Mezzo-/Soprane und 6 Männer – Tenöre) mittels EIT untersucht. Die Professionalisierung der Sängerinnen und Sänger wurden anhand der Bunch-Chapman Einteilung klassifiziert [8]. Die Sänger wurden in Analogie zur MRT-Untersuchung unserer Arbeitsgruppe aufgefordert maximale Tonhaltedauern verschiedener Tonhöhen zu phonieren (P1–4, Tabelle 1 [Tab. 1]) und maximal Ein- und Auszuatmen. Für die EIT Messung wurde das PulmoVista 500 (Dräger Medical GmbH, Lübeck, Deutschland) verwendet. Die zeitliche Auflösung beträgt 50/s.
Es erfolgte die simultane Bestimmung des subglottischen Druck mittels Rothenberg-System (Glottal Enterprises 162, New York, USA) während der Phonation [9], sowie Bestimmung von Kontaktquotient, Schallpegel und Grundfrequenz (Laryngograph Ltd. London, UK). Die Impendanzkurven wurden im zeitlichen Verlauf und Amplitude normalisiert um eine intra- und interindividuelle Vergleichbarkeit zu ermöglichen.
Ergebnisse
Die Steigung der Impedanz-Kurven wurde in 20%-Schritten analysiert (m1–5). Sie unterschied sich signifikant zwischen Phonation und Ausatmung (p<0.001) jedoch nicht zwischen unterschiedlichen Tonhöhen (p=0.9). Der Professionalisierungsgrad anhand der Bunch and Chapman Taxonomie zeigte eine signifikante Auswirkung auf den Verlauf der Kurven, welche mit zunehmender Professionalisierung linearer verliefen (m1: p<0.001, m3: p = 0.03 und m4: p<0.001).
Wie in Abbildung 1 [Abb. 1] dargestellt, zeigte sich in der Analyse der verschiedenen Regionen ein unterschiedliches Verhalten der ventralen Region ROI1 welche sich von ROI2–ROI4 signifikant unterschied (p<0.001): Während für ROI2–ROI4 die steilste Impedanzänderung zu Beginn der Phonation stattfand, war dies für ROI1 im mittleren Abschnitt. Dieses Verhalten war für Frauen stärker ausgeprägt als für Männer.
Aus den Impedanzkurven konnte auch das jeweilige Zentrum der Ventilation bestimmt werden, an dem die zu diesem Zeitpunkt stärksten ausprägte Impedanzänderung erfolgte. Hier zeigte sich eine deutliche Verlagerung des Ventilationszentrums während der Phonation bei Sängern, während das Ventilationszentrum bei 4 von 5 Sängerinnen während der Phonation konstant blieb (Abbildung 2 [Abb. 2]).
Fazit/Schlussfolgerung
In den vorliegenden Ergebnissen konnte ein Unterschied in der Phonationsventilation zwischen Männern (Tenören) und Frauen (Mezzo- und Sopranistinnen) beobachtet werden: Bei den Sängerinnen wurde der ventrale Anteil der Lunge v.a. zu Beginn der Phonation stabiler gehalten und zeigte nur geringe Impedanzänderungen, auch war das Zentrum der Ventilation in seiner Position stabiler als bei den männlichen Sängern. Dies könnte ein Ausdruck eines geringeren anterior-posterioren Bewegungsausmaßes im Thorax und vorderen Zwerchfell bei Frauen sein. Mit zunehmender Professionalität zeigten die Sänger einen stärker linearen Verlauf der Impedanzkurven und damit der Lungenventilation, was möglicherweise als ein Qualitätskriterium einer ökonomischen Atemstützfunktion interpretiert werden könnte.
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