Article
Einfluss von organischen Stimmlippenbefunden auf das Schwingungsverhalten bei professionellen Sängern
Search Medline for
Authors
Published: | September 8, 2016 |
---|
Outline
Zusammenfassung
Hintergrund: Nicht bei allen Sängern führen organische Veränderungen an den Stimmlippen zu Stimmproblemen. Zudem sind die Stimmprobleme, wenn präsent, nicht im gesamten Frequenzumfang nachweisbar. In dieser Studie wurde angenommen, dass sich die Relevanz von organischen Stimmlippenbefunden stärker in biomechanisch problematischen Grundfrequenzregionen wie denen der Registerübergangsbereiche auswirken als in den Frequenzregionen fernab solcher Registerübergangsbereiche.
Material und Methoden: 7 professionelle Sänger mit organischen Veränderungen der Stimmlippen und Einschränkungen der stimmlichen Leistungsfähigkeit, welche eine Therapie notwendig machten, wurden aufgefordert, in deren Bühnenstimme ein Glissando über die Passaggiobereiche (für männliche Stimmen 220-440Hz, für Frauen sowohl 220-440Hz als auch 440-880Hz) auf dem Vokal /i/ bzw. für das obere Passaggio der Frauen auch Vokal /a/ zu singen. Die Aufnahmen wurden mit einer Hochgeschwindigkeitsglottographie mittels transnasaler Laryngoskopie (20.000 fps) durchgeführt. Zudem erfolgte Elektroglottograpie und eine Aufnahme von Audiosignalen vor und 6 Wochen nach Therapie.
Ergebnisse: Bei vier der Sänger zeigte sich eine deutliche Verstärkung von irregulären Schwingungsmustern im Registerübergangsbereichen, welche nach Therapie nicht mehr nachweisbar waren. Für die weiblichen Stimmen war lediglich der obere Registerübergang betroffen. Zudem war bei einer Sängerin sogar ein Wechsel des Schwingungseigenmodes zu beobachten. Drei andere Sänger wiesen allerdings keine Vermehrung von Irregularitäten in diesen Frequenzbereichen auf. Hier kam es dennoch durch Therapie zur Stimmverbesserung durch Verbesserung der Stimmfunktion in sehr hohen Grundfrequenzen oder der Belastungsfähigkeit.
Diskussion: Organische Befunde verstärken bei vielen, aber nicht allen Sängern Irregularitäten im Registerübergangsbereich. Die Beurteilung der Registerübergangsbereiche sollte bei Indikation zur Phonochirurgie bei Sängern Berücksichtigung finden.
Text
Einleitung
Organische Veränderungen im Bereich der Stimmlippen führen häufig zu einer Änderung der dynamischen Eigenschaften der Stimmlippenschwingungen. Als Folge werden regelmäßig Dysphonien beobachtet. Diesbezüglich werden einige organische Veränderungen der Stimmlippen in Verbindung mit einer Stimmüberlastung gebracht.
Insbesondere bei beruflichen Stimmbenutzern ist die Möglichkeit der Stimmüberlastung als hoch anzusehen. Daher verwundert es nicht, dass organische Veränderungen bei Sängern häufig auftreten können. Bei diesen führen organische Veränderungen an den Stimmlippen jedoch nicht immer zu Stimmproblemen [1]. Zudem sind die Stimmprobleme, wenn präsent, nicht im gesamten Frequenzumfang nachweisbar. In dieser Studie wurde angenommen, dass sich die Relevanz von organischen Stimmlippenbefunden stärker in biomechanisch problematischen Grundfrequenzregionen wie denen der Registerübergangsbereiche auswirken als in den Frequenzregionen fernab solcher Registerübergangsbereiche.
Material und Methoden
Sieben professionelle Sänger (Tabelle 1 [Tab. 1]) mit organischen Veränderungen der Stimmlippen und Einschränkungen der stimmlichen Leistungsfähigkeit, welche eine Therapie notwendig machten, wurden aufgefordert, in deren Bühnenstimme ein Glissando über die Passaggiobereiche (für männliche Stimmen 220–440Hz, für Frauen sowohl 220–440Hz als auch 440–880Hz) auf dem Vokal /i/ bzw. für das obere Passaggio der Frauen auch Vokal /a/ zu singen. Die Aufnahmen wurden mit einer Hochgeschwindigkeitsglottographie (Photron SA-X2, Japan) mittels transnasaler Laryngoskopie (Olympus, Japan) mit 20.000 fps durchgeführt. Zudem erfolgte Elektroglottograpie (Glottal Enterprisis, Syracuse, USA) und eine Aufnahme von Audiosignalen (Sennheiser, Wedemark) vor und 6 Wochen nach Therapie.
Ergebnisse
Bei vier der Sänger zeigte sich eine deutliche Verstärkung von irregulären Schwingungsmustern im Registerübergangsbereichen, welche nach Therapie nicht mehr nachweisbar waren. Für die weiblichen Stimmen war lediglich der obere Registerübergang betroffen. Zudem war bei einer Sängerin sogar ein Wechsel des Schwingungseigenmodes (Abbildung 1 [Abb. 1]) zu beobachten: Wenn der vordere Anteil schloss, war der hintere Anteil auf und umgekehrt. Drei andere Sänger wiesen allerdings keine Vermehrung von Irregularitäten in diesen Frequenzbereichen auf. Hier kam es dennoch durch Therapie zur Stimmverbesserung durch Verbesserung der Stimmfunktion in sehr hohen Grundfrequenzen oder der Belastungsfähigkeit.
Diskussion
Die Untersuchungen bestätigen, dass der Registerübergangsbereich einen sensiblen Bereich für das Auftreten von Stimmbeschwerden darstellt. Besonders in diesen Bereichen führten die organischen Veränderungen zu einer nicht mehr beherrschbaren Änderung der Biomechanik. Unerwartet hierbei war, dass bei den weiblichen Stimmen nicht der untere, sondern der obere Registerübergangsbereich betroffen war. Es wird hier häufig angenommen, dass der untere Registerübergangsbereich vor allem durch Änderungen der Stimmlippenschwingungen hervorgerufen wird [2], wohingegen der obere Registerübergangsbereich eventuell mehr durch Resonanzphänomene [3] entsteht.
Neben den Registerübergangsbereichen können auch andere stimmlich herausfordernde Aufgaben, wie das Singen in hohen Phonationslagen oder eine längere stimmliche Belastung ebenfalls den Abruf der vollen stimmlichen Leistungsfähigkeit verhindern. Es scheint, dass besonders diese stimmlich herausfordernden Aufgaben (Überbrückung der Register, Singen in hohen Phonationslagen und Stimmausdauer) in der Stimmdiagnostik getestet werden sollten, um eine Entscheidung zu treffen, ob eine organische Veränderung für Sänger als relevant zu erachten ist.
Schlussfolgerungen
Organische Befunde verstärken bei vielen, aber nicht allen Sängern Irregularitäten im Registerübergangsbereich. Die Beurteilung der Registerübergangsbereiche sollte bei Indikation zur Phonochirurgie bei Sängern Berücksichtigung finden.
Literatur
- 1.
- Echternach M, Arndt S, Zander MF, Richter B. Stimmdiagnostik bei professionellen Sopranistinnen: anwendung des Protokolls der Europäischen Laryngologischen Gesellschaft (ELS) [Voice diagnostics in professional sopranos: application of the protocol of the European Laryngological Society (ELS)]. HNO. 2009 Mar;57(3):266-72. DOI: 10.1007/s00106-008-1847-2
- 2.
- Henrich N. Mirroring the voice from Garcia to the present day: some insights into singing voice registers. Logoped Phoniatr Vocol. 2006;31(1):3-14. DOI: 10.1080/14015430500344844
- 3.
- Miller DG. Registers in singing: empirical and systematic studies in the theory of the singing voice. Groningen: Universität Groningen; 2000.
- 4.
- Bunch M, Chapman J. Taxonomy of singers used as subjects in scientific research. J Voice. 2000 Sep;14(3):363-9. DOI: 10.1016/S0892-1997(00)80081-8
- 5.
- Nawka T, Anders LC, Wendler J. Die auditive Beurteilung heiserer Stimmen nach dem RBH-System. Sprache Stimme Gehör. 1994;18:130-133.
- 6.
- Nawka T, Wiesmann U, Gonnermann U. Validierung des Voice Handicap Index (VHI) in der deutschen Fassung [Validation of the German version of the Voice Handicap Index]. HNO. 2003 Nov;51(11):921-30. DOI: 10.1007/s00106-003-0909-8