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Neugeborenen-Hörscreening: Definition und Analyse verschiedener PASS-Kriterien
Newborn hearing-screening: definition and analysis of different PASS-criterias
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Published: | August 28, 2007 |
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Zusammenfassung
Die Einführung neuer Programme zum Neugeborenen-Hörscreening erfordert eine sorgfältige Abwägung des methodischen Vorgehens. Das Ziel des Projekts zur Vorbereitung des flächendeckenden Neugeborenenhörscreenings in Baden-Württemberg bestand darin, die 2 allgemein favorisierten automatischen Hörprüfmethoden bei Neugeborenen anzuwenden und auszuwerten. Innerhalb von 4 Monaten wurden an der Heidelberger Universitäts-Frauenklinik bei Neugeborenen TEOAE und AABR mit Screeninggeräten postnatal untersucht. War einer der 2 Tests auf einem der 2 Ohren auffällig, folgte dem Erstscreening zu einem späteren Zeitpunkt ein Zweitscreening. Die Verfügbarkeit von OAE- und ABR-Ergebnissen beider Ohren aller Kinder ermöglicht verschiedene PASS-Kriterien zu definieren und zu analysieren. Es resultieren PASS-Raten zwischen 65% (Forderung „OAE und ABR an beiden Ohren im Erstscreening nachweisbar“) u. 99% (Forderung „OAE oder ABR bei mindestens 1 Ohr im Erst- oder Zweitscreening nachweisbar“). Die Erfolgsquote unauffälliger Testergebnisse ist für OAE geringfügig größer als für ABR. Die 2. Screeningstufe führt zu einer höheren PASS-Rate; je nach Kriterium liegt die Zunahme zwischen 5 u. 12%. Ausgehend von der Voraussetzung, dass alle untersuchten Neugeborenen normalhörend sind, ist im Idealfall eine 100%-PASS-Rate zu erwarten. Diesem Ideal wird nur das großzügige PASS-Kriterium „auf mindestens 1 Ohr ist mindestens 1 der 2 Tests im Erst- oder Zweitscreening unauffällig“ annähernd gerecht. Das als Standard geltende Kriterium „OAE auf beiden Ohren nachweisbar“ ist nicht für alle Kinder im 1. Versuch erfüllt. 48% dieser Kinder erweisen sich bei der Wiederholung der OAE-Messung als unauffällig, nur 34% bestehen das ABR-Nachscreening.
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Hintergrund
Die Einführung neuer Programme zum Hörscreening von Neugeborenen erfordert eine sorgfältige Abwägung des methodischen Vorgehens und sie profitiert von der Einbeziehung der Erfahrungen aus bereits etablierten und bewährten Programmen. Bezüglich der optimalen Wahl der Methoden insbesondere bei zweistufigen Screeningprotokollen ist die Diskussion derzeit noch nicht abgeschlossen. Insbesondere ist die alleinige Anwendung der TEOAE (transitorisch evozierte otoakustische Emissionen) vor dem Hintergrund der Detektion peri- oder postsynaptischer Audiopathien („auditorische Neuropathie“) umstritten. Das Ziel des hier vorgestellten Pilotprojekts zur Vorbereitung eines flächendeckenden Neugeborenenhörscreenings in Baden-Württemberg bestand daher darin, die zwei allgemein favorisierten automatischen Hörprüfmethoden bei einer großen Zahl Neugeborener mit und ohne Risikofaktoren anzuwenden und hinsichtlich ihrer Effizienz systematisch auszuwerten.
Messungen
In einem Zeitraum von vier Monaten bis zum Zeitpunkt dieser Beitragsanmeldung wurden an der Heidelberger Universitäts-Frauenklinik bei allen Neugeborenen mit Ausnahme von Frühgeborenen die TEOAE und die AABR (automated auditory brainstem responses) mit einem handelsüblichen Screeninggerät innerhalb der ersten Tage nach der Entbindung untersucht. Wann immer einer der zwei Tests auf einem der zwei Ohren nicht unauffällig war, folgte dem Erstscreening zu einem späteren aber nahen Zeitpunkt ein Zweitscreening, ggf. auch eine vollständige pädaudiologische Bestimmungsuntersuchung. Die Verfügbarkeit von OAE- und ABR-Ergebnissen beider Ohren aller Kinder eröffnet die Möglichkeit, a posteriori verschiedene PASS-Kriterien zu definieren und zu analysieren.
Ergebnisse
Je nach der Rigorosität des angewendeten Kriteriums ergeben sich PASS-Raten zwischen 65% (Forderung „OAE und ABR an beiden Ohren im Erstscreening nachweisbar“) und 99% (Forderung „OAE oder ABR bei mindestens einem Ohr im Erst- oder Zweitscreening nachweisbar“). Die Erfolgsquote unauffälliger Testergebnisse ist für die OAE geringfügig größer als für die ABR. Die zweite Screeningstufe führt erwartungsgemäß generell zu einer höheren PASS-Rate; je nach Kriterium liegt der Unterschied zwischen 4 und 13%.
Ausgehend von der in guter Näherung erfüllten Voraussetzung, dass alle untersuchten Neugeborenen normalhörend sind, ist im Idealfall unbegrenzter Spezifität eine PASS-Rate von 100% zu erwarten. Diesem Ideal wird nur das sicherlich unzulässig großzügige PASS-Kriterium „auf mindestens einem Ohr ist mindestens einer der zwei Tests im Erst- oder Zweitscreening unauffällig“ annähernd gerecht. Das als Standard geltende Kriterium „OAE auf beiden Ohren nachweisbar“ ist nicht für alle Kinder beim ersten Versuch erfüllt. 46% dieser Kinder erweisen sich bei einer Wiederholung der OAE-Messung als unauffällig, wohingegen nur 33% das ABR-Nachscreening bestehen. Unter den Kindern, die aufgrund fehlender TEOAE oder ABR auf einem Ohr zu einer pädaudiologischen Diagnostik vorgestellt wurden, konnte in 5% der Fälle der Verdacht auf eine Hörstörung nicht beim ersten Untersuchungstermin ausgeräumt werden.