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Ist die freie, mikrovaskuläre Lappenplastik als Weiterbildungseingriff geeignet? Eine retrospektive Kohortenstudie mit 391 Patienten
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Published: | March 21, 2014 |
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Einleitung: Die grundlegenden Techniken der rekonstruktiven Mikrochirurgie sind in den letzten Jahrzehnten sicher im klinischen Alltag implementiert worden. Die Lernkurve der Mikrochirurgen ist durch die Optimierung der Mikroskope und Instrumente sowie die Verbreitung mikrochirurgischer Kurse flacher geworden. Während für andere Operationsverfahren in der plastisch-rekonstruktiven Chirurgie Weiterbildungskonzepte bereits umgesetzt wurden, fehlt eine solche Validierung für den freien Lappen bisher.
Material und Methoden: In einer retrospektiven Kohortenstudie sollte untersucht werden, ob die freie, mikrovaskuläre Lappenplastik unter Berücksichtigung des Behandlungserfolges und der Qualität der Versorgung unter standardisierten Bedingungen als Weiterbildungseingriff geeignet ist. Zwischen 2008 und 2011 wurden 391 Patienten mit freier Lappenplastik eingeschlossen und zwei Kohorten gebildet; Kohorte 1: Operation durch erfahrenen Facharzt/Oberarzt/Chefarzt, Kohorte 2: Operation durch Assistenzarzt in Weiterbildung als Ausbildungseingriff. Es wurden Patientendaten und Charakteristika erfasst mit möglichen Unterschieden in der Vorauswahl der Patienten und Risiken (Alter, Ursache der Lappenplastik, Art der Lappenplastik, Primär- oder Sekundäreingriff) sowie Parameter, die das Behandlungsergebnis dokumentieren (OP-Zeit, Anastomosentechnik, Anzahl der Anastomosen, intraoperative Besonderheiten, postoperative Komplikationen, Zeit bis zur Entlassung). Der Vergleich beider Kohorten erfolgte mittels univarianter Analyse und Angabe von Durchschnitt, Standardabweichung und p-Wert mit Signifikanz <0.05.
Ergebnisse: Die Analyse der Patientendaten zeigte eine statistische Signifikanz für die Defektursache (Tumor vs. Trauma; p<0.001) und den Typ der Lappenplastik für DIEP, SGAP und TMG (p<0.001; p=0,039; p=0,039) zugunsten Kohorte 1 und für den ALT zugunsten Kohorte 2 (p<0.001). Es bestand kein signifikanter Unterschied für das Patientenalter (53,5 Jahre±13,1 vs. 52,4 Jahre ±14,9; p=0,521).Die Analyse der Behandlungsergebnisse zeigte signifikante Unterschiede zwischen Kohorte 1 und 2 bezogen auf die Gesamtverweildauer (26,1 Tage ±26,0 vs. 31,9 Tage ±18,9; p<0.001), jedoch keine Unterschiede bezogen auf die Anzahl der Revisionen (0,6±1,1 vs. 0,6±0,9; p=0,706), die OP-Zeit (440,9 min ±164,4 vs. 436,0 min ±129,2; p=0,552), die venöse Anastomosen-Technik (Naht 173 vs. 114, Coupler 55 vs. 49; p=0,190) und -anzahl (1,3±0,5 vs. 1,3±0,5; p=0,622) oder intraoperative Auffälligkeiten (n= 49 vs. 42; p=0,324). Auch postoperativ zeigten sich keine vermehrten Komplikationen in der Kohorte 2: Teil- oder Totalnekrose (23 vs. 22; p=0,298), Thrombose (12 vs. 8; p=0,875), Infektion (6 vs. 2; p=0,477), Hämatom (31 vs. 14; p=0,119), Serom (4 vs. 0; p=0,408), Wundheilungsstörung (24 vs. 19; p=0,197).
Schlussfolgerung: Die freie Lappenplastik ist unter standardisierten Bedingungen als Weiterbildungsengriff geeignet. Voraussetzungen sind eine hohe Expertise des lehrenden Mikrochirurgen sowie ein schrittweises Heranleiten an einzelne Schritte des Eingriffs. Signifikante Unterschiede bestehen nur in der Gesamtverweildauer der Patienten. Sekundäreingriffe, Revisionen, hochelektive mikrochirurgische Eingriffe, wie z.B. zur Brustrekonstruktion, sowie komplexe Perforatorlappen sollten auf Grundlage dieses Patientenguts außerhalb von Aus- und Weiterbildungsbedingungen erfolgen, um den vergleichbaren Behandlungserfolg zu sichern.