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Entscheidungen am Lebensende: Kenntnisse, Einstellungen und Ausbildungsevaluation von Medizinstudierenden im letzten Studienjahr in Bochum und Tours (Frankreich)
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Veröffentlicht: | 5. August 2010 |
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Veröffentlicht mit Erratum: | 18. August 2010 |
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Fragestellung: In Deutschland und Frankreich sind ethische und rechtliche Aspekte von Entscheidungen am Lebensende in der modernden Medizin Gegenstand kontroverser Diskussionen. Sowohl an deutschen als auch an französischen Medizinischen Fakultäten wurden in den letzten Jahren Lehrveranstaltungen zu ethischen und klinischen Aspekten am Lebensende in das Ausbildungscurriculum implementiert. In diesem Beitrag werden Ergebnisse einer Umfrage zu Erfahrungen, Kenntnissen und Einstellungen zu Entscheidungen am Lebensende von Medizinstudierenden des letzten Studienjahres an den Fakultäten Bochum (Deutschland) und Tours (Frankreich) vorgestellt.
Methodik: Die Gesamtheit der Medizinstudierenden des letzten Studienjahres in Bochum (n= 212) und Tours (n= 108) erhielt einen semistrukturierten Fragebogen, der auf der Grundlage vorangegangener Umfragen erstellt wurde. Die Gruppen wurden zunächst getrennt ausgewertet. Im Anschluss erfolgte ein Vergleich der Studierenden aus Bochum und Tours. Weiterhin wurden in der Bochumer Gruppe Studierende, die im Rahmen der neuen Approbationsordnung (AO) von 2002 neu eingeführten Pflichtveranstaltungen im Querschnittsbereich „Geschichte, Theorie, Ethik der Medizin“ (GTE) besucht hatten, mit Studierenden nach alter AO verglichen. Gruppenunterschiede im Antwortverhalten wurden anhand von Kreuztabellen und mit dem Chiquadrat-Test überprüft (Signifikanzniveau p < 0,05).
Ergebnisse: 159 von 211 Studierenden in Bochum (75,4%) und 81 von 108 Studierenden in Tours (75,0%) beantworteten den Fragebogen. 60,4% der Bochumer Studierenden hatten die im Rahmen der neuen AO 2002 eingeführte Pflichtveranstaltung „Geschichte, Theorie und Ethik in der Medizin“ (GTE) besucht.
Erfahrung in der Begleitung Sterbender wurden am häufigsten in studienbegleitenden Praktika gemacht (63,4% (Bochum) und 98,3% (Tours)). 64,7% der Bochumer Studierenden und 46,7% der Studierenden aus Tours wussten, dass der Verzicht oder eine Beendigung lebenserhaltender Therapie legal sein kann (p = 0,01). Die Beendigung einer medizinischen Maßnahme („passive Sterbehilfe“) wurde von jeweils mehr als 30% der Antwortenden in Bochum beziehungsweise Tours der „aktiven Sterbehilfe“ zugeordnet.
54,8 % (Bochum) und 60,8 % (Tours) der Studierenden bewertete die Vorbereitung durch das Studium auf ethische Aspekte von Entscheidungen am Lebensende als „schlecht“ oder „sehr schlecht“ (fünfstufigen Likertskala von „sehr gut“ bis „sehr schlecht“). Diejenigen der Bochumer Gruppe, die im Rahmen des neuen Curriculums (Approbationsordnung) die Pflichtveranstaltungen im Querschnittbereich „Geschichte, Theorie, Ethik der Medizin“ (GTE) besucht hatten, schätzten ihre Vorbereitung signifikant (p=0,02) besser ein.
Schlussfolgerungen: Studierende der Medizin werden mehrheitlich bereits im Rahmen von Praktika mit ethischen und klinischen Fragestellungen zu Entscheidungen am Lebensende konfrontiert. Angesichts der geringen Kenntnisse hinsichtlich des rechtlichen Handlungsrahmens und der schlechten Bewertung der medizinischen Ausbildung zu Fragen am Lebensende sollten vermehrt praxisorientierte Lehrkonzepte zur Verbesserung entsprechender Kompetenzen implementiert und in der Folge evaluiert werden.