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Trends in der Pharmakotherapie Bipolarer Erkrankungen seit 2002: Diskrepanz zwischen evidenzbasierten Richtlinien und klinischer Praxis?
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Veröffentlicht: | 22. Februar 2010 |
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Hintergrund: Für die Behandlung bipolar affektiver Störungen wurden in den letzten Jahren evidenzbasierte nationale und internationale Therapierichtlinien herausgegeben. Ziel dieser prospektiven Untersuchung war es, die Verschreibungsgewohnheiten und Einhaltung der Richtlinien in der klinischen Praxis zu überprüfen und Ursachen für eventuelle Diskrepanzen zu identifizieren.
Material/Methoden: Die Daten von 852 bipolaren Patienten (405 männlich, 447 weiblich, 3851 stationären Aufenthalte zwischen Jänner 2002 und November 2009) wurden ausgewertet und auf Abweichungen zu den gültigen Therapieempfehlungen überprüft.
Ergebnisse: Insgesamt zeigte sich eine gute Einhaltung nationaler und internationaler Therapieempfehlungen und eine zunehmende Übereinstimmung von klinischer Praxis mit evidenzbasierten Richtlinien im Verlauf des Beobachtungszeitraums. Es gab jedoch auch Diskrepanzen, insbesondere im Bereich der Behandlung bipolarer Depression.
Schlussfolgerung/Implikation: In der Behandlung bipolar-depressiver Phasen zeigt sich eine Diskrepanz zwischen aktuellen Therapieempfehlungen und der klinischen Praxis. Eine mögliche Ursache liegt in der überaus häufigen Therapieresistenz innerhalb dieser Patientengruppe, auf welche in den Therapierichtlinien nur wenig Bezug genommen wird. Die Empfehlungen stützen sich auch nur zum Teil auf randomisierte, kontrollierte Studien und berücksichtigen nicht alle in Verwendung befindlichen Substanzen. Aus methodischen und finanziell-ökonomischen Gründen existieren gerade in der Gruppe therapieresistenter Patienten auch kaum Untersuchungen, sodaß die Behandler oft auf Strategien ohne hohe wissenschaftliche Evidenz zurückgreifen müssen. Die Behandlung manischer Phasen und die Phasenprophylaxe scheinen jedoch in der klinischen Praxis weitgehend auf dem Boden wissenschaftlicher Evidenz zu stehen. Allerdings gibt es wegen der schwierigen Finanzierbarkeit und aus methodischen Gründen nur selten Daten aus kontrollierten Studien mit einer Dauer von mehr als 6 Monaten, sodaß die Aussagekraft aller Empfehlungen zur langfristigen Phasenprophylaxe insgesamt eingeschränkt erscheint