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GMS Verbrennungsmedizin

Deutsche Gesellschaft für Verbrennungsmedizin (DGV)

ISSN 1869-1412

Der luftgestützte Interhospitaltransfer von Schwerbrandverletzten – Indikation, Strategie, Risiken und Komplikationen

The interhospital transfer of burn patients by helicopter – indication, strategy, risks and complications

Originalarbeit

  • corresponding author Frank Siemers - Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Plastische Chirurgie, Handchirurgie, Intensiveinheit für Schwerbrandverletzte, Lübeck, Deutschland
  • Peter L. Stollwerck - Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Plastische Chirurgie, Handchirurgie, Intensiveinheit für Schwerbrandverletzte, Lübeck, Deutschland
  • Jörn Andreas Lohmeyer - Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Plastische Chirurgie, Handchirurgie, Intensiveinheit für Schwerbrandverletzte, Lübeck, Deutschland
  • Thomas Namdar - Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Plastische Chirurgie, Handchirurgie, Intensiveinheit für Schwerbrandverletzte, Lübeck, Deutschland
  • Peter Mailänder - Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Plastische Chirurgie, Handchirurgie, Intensiveinheit für Schwerbrandverletzte, Lübeck, Deutschland

GMS Verbrennungsmedizin 2011;4:Doc02

doi: 10.3205/vmed000009, urn:nbn:de:0183-vmed0000095

Published: April 27, 2011

© 2011 Siemers et al.
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Zusammenfassung

Entscheidend für die Prognose von Schwerbrandverletzten ist neben Ausmaß der Schädigung und Alter des Patienten eine suffiziente Primärversorgung am Unfallort und in der erstbehandelnden Klinik. Die Weiterbehandlung in einem Zentrum für Schwerbrandverletzte macht die Durchführung eines Sekundärtransportes erforderlich. In Flächenbundesländern sind hierbei oftmals Strecken von mehr als 100 km zurückzulegen, sodass der Interhospitaltransfer in der Regel mit einem Hubschrauber durchgeführt wird.

Im Rahmen einer retrospektiven Datenerhebung haben wir bei 40 zwischen 2007 und 2008 in unserem Zentrum behandelten Patienten die Maßnahmen, die während des luftgestützten Sekundärtransportes vorgenommen wurden, bewertet. Bei dem hohen Anteil an Nachttransporten (n=20) fiel auf, dass trotz vorherigem Kontakt zur Schwerbrandverletztenstation mit schriftlicher Übermittlung von Therapie-/Maßnahmenempfehlungen vor Beginn der Verlegung noch 8 Patienten kolloidale Infusionslösungen erhalten hatten. 14 Patienten hatten nur eine einzelne periphere Venenweilkanüle angelegt bekommen. Bei klinisch sicheren Hinweisen für das begleitende Vorliegen eines Inhalationstraumas erfolgte in 4 Fällen bis zum Eintreffen auf der Schwerbrandverletztenstation keine Intubation und Beatmung.

Neben der Zusammenstellung möglicher Fehler und Gefahren wurden alle wichtigen therapeutischen Schritte, die Voraussetzung für eine sichere und ungestörte Verlegung sind, zusammengefasst.

Schlüsselwörter: Verbrennung, Interhospitaltransfer, Komplikationsmanagement

Abstract

One of the main prognostic factors for burn patients besides the extent of burn injury and the age of the patient is the sufficiency of primary treatment at the site of the accident as well as the initial treatment in hospital.

So that patients can be treated in a specialized burn center, secondary transport is required. In remote areas this can involve transport distances greater than 100 km, which frequently results in an interhospital transfer by helicopter.

We retrospectively analyzed the measures taken during helicopter transport of 40 patients who were treated in our department between 2007 and 2008.

In the large proportion of night flights (n=20) we discovered that colloids had been applied to 8 patients before take-off although written instructions had been sent by fax containing recommendations for treatment and fluid volume therapy. 14 patients had only received one peripheral intravenous line. 4 patients with definite signs of inhalation injury had not been intubated before take-off.

Possible mistakes and pitfalls are listed and all important therapeutical steps necessary for ensuring a safe secondary transfer, free of complications, are summarized.

Keywords: burns, interhospital transfer, management of complications


Einleitung

Entscheidend für die Prognose von Schwerbrandverletzten ist neben Ausmaß der Schädigung und Alter des Patienten eine suffiziente Primärversorgung am Unfallort und in der erstbehandelnden Klinik. Die Weiterbehandlung in einem Zentrum für Schwerbrandverletzte macht die Durchführung eines Sekundärtransportes erforderlich. In Ballungszentren mit einer entsprechend hohen Dichte an verfügbaren Betten in Brandverletzteneinheiten erfolgt häufig nach Abschluss der Erstversorgung am Unfallort der bodengebundene Transport in eine nahegelegene Spezialeinheit.

In Flächenbundesländern, wo oftmals Strecken von mehr als 100 km zurückzulegen sind, oder in den Situationen, wo das regional zuständige Verbrennungszentrum keine Kapazitäten hat, ist ein Interhospitaltransfer über eine größere Distanz erforderlich, dieser wird dann in der Regel mit einem Hubschrauber durchgeführt.

Da die Versorgung und der Transport von Schwerbrandverletzten nicht die Regel ist und es dem medizinischen Personal an einer entsprechenden Routine beim Umgang mit diesem Kollektiv fehlt, treten immer wieder Fehler auf, die zu Komplikationen im Verlauf der Verlegung und auch bei der nachgeordneten Weiterbehandlung führen können. Verletzungsspezifische Probleme durch die großen Wundflächen machen eine angemessene Infusionstherapie erforderlich bei der häufig große Mengen an ausschließlich kristallinen Infusionslösungen zu applizieren sind. Die Gefahr der Hypothermie sowie eine entsprechende Analgetikatherapie sind weitere wichtige Aspekte, die bei Erstversorgung und Verlegungstransport kontinuierlich berücksichtigt werden müssen. Bei Vorliegen eines begleitenden Inhalationstraumas können zusätzlich pulmonale Probleme auftreten, die eine frühzeitige Intubation und Beatmung erforderlich machen können.


Material und Methode

Im Zeitraum 2007/2008 wurde von 40 Patienten, die nach Erstversorgung in einer auswärtigen Klinik mittels Hubschrauber sekundär unserer Intensiveinheit für Schwerbrandverletzte zu verlegt wurden, eine retrospektive Analyse der Verlegungsdaten vorgenommen.

Das Durchschnittsalter der 24 männlichen und 16 weiblichen Patienten betrug 40 Jahre (17–67 Jahre), 8 Patienten waren älter als 60 Jahre. Bei den Patienten waren durchschnittlich 33% (10–98%) der Körperoberfläche (KOF) von der thermischen Verletzung betroffen. Bei Aufnahme wurde für jeden Schwerbrandverletzten der ABSI-Score (abbreviated burn severity index, siehe Tabelle 1 [Tab. 1]) [1] errechnet. Der durchschnittliche Scorewert betrug 7,8 (4–13). 26 der Verletzten erlitten ein begleitendes Inhalationstrauma, welches im Rahmen der Aufnahmeuntersuchung (Abbildung 1 [Abb. 1], Abbildung 2 [Abb. 2]) auf unserer Intensivstation bronchoskopisch gesichert wurde. Die durchschnittliche Körperkerntemperatur bei Aufnahme lag bei 35,7°C (31,0°C–37,8°C).

Nach dem Unfallereignis betrug der Zeitraum bis zum Beginn des Hubschraubertransportes durchschnittlich 3,7 Stunden (00:45–12:30 Stunden), das Zeitintervall zwischen Unfallereignis und Eintreffen im Schwerbrandverletztenzentrum betrug durchschnittlich 4,7 Stunden (01:45–13:05 Stunden). Unterschiede hinsichtlich der Zeitintervalle bis zum Beginn des Transportes konnten in den unterschiedlichen Altersgruppen nicht festgestellt werden.

Bei der Analyse der Transportdaten wurde eine durchschnittliche Transportdauer von 60 Minuten (30–90 Minuten) ermittelt. Die Hälfte der Transporte (n=20) erfolgte nach Einbruch der Dunkelheit.

32 Patienten wurden am Unfallort bzw. in der erstbehandelnden Klinik intubiert und nachfolgend künstlich beatmet verlegt. Bei 8 Patienten erfolgte eine Verlegung ohne Intubation und Beatmung. In 4 dieser Fälle musste aufgrund eines begleitenden Inhalationstrauma im Rahmen der Aufnahmeversorgung auf der Intensiveinheit für Schwerbrandverletzte eine oro-tracheale Intubation erfolgen.

Hinsichtlich der Anlage von Zugängen wurden 1 bis 3 periphere Venenverweilkanülen (Durchschnitt 1,75) angelegt. Mehr als ein Drittel der Patienten (n=14) war nur mit einer Venenverweilkanüle versorgt. Die Ermittlung des Durchmessers der jeweiligen Braunülen war retrospektiv anhand der Protokolldaten nicht mehr möglich. In 12 Fällen erfolgte auswärts die Anlage eines zentralvenösen Katheters (ZVK), 6-mal wurde ein arterieller Zugang angelegt. 24 Patienten wurden mit einem liegenden geschlossenen Urinbeutelsystem (DK) auf die Schwerbrandverletztenstation übernommen. In allen Fällen war allerdings über die Urinableitung keine gesonderte intravesikale Temperaturbestimmung möglich, sodass ein Systemwechsel im Aufnahmebad der Intensivstation erfolgen musste.

An kristallinen Infusionslösungen wurden durchschnittlich 1275 ml (500–4000 ml) intravenös verabreicht. 8 Patienten wurde im Vorfeld der Aufnahme im Verbrennungszentrum kolloidale Infusionslösung intravenös verabreicht. Hiervon je 2 Patienten während der initialen Krankenhausbehandlung bzw. während des Sekundärtransportes, obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits eine Kontaktaufnahme mit dem Verbrennungszentrum erfolgt war, bei der auf die ausschließliche Gabe von kristallinen Infusionslösungen verwiesen wurde.

Während der arztbegleiteten Transporte erfolgte bei allen Patienten ein kontinuierliches Monitoring mittels EKG, periphere Sauerstoffsättigung (SpO2) und regelmäßiger Blutdrucküberwachung. Bei den beatmeten Patienten erfolgte zusätzlich die Messung der endexspiratorischen CO2-Konzentration.

Ein Flug, der nach Einbruch der Dunkelheit durchgeführt wurde, musste bei schlechten Wetterbedingungen unterbrochen werden. Der Hubschrauber landete in diesem Fall auf der Hälfte der ca. 250 km langen Flugstrecke an einem städtischen Klinikum, in dem die weitere Versorgung und Stabilisierung des Patienten durch eine eigenständige Abteilung für Plastische Chirurgie bis zum bodengebundenen Weitertransport am Folgemorgen sichergestellt wurde.

In einem Fall erfolgte der Hubschraubertransport bei liegendem oro-trachealen Tubus mit defektem Tubuscuff bei maschineller Ventilation. Dieser Umstand war zum Zeitpunkt des Abfluges bekannt. Ausgeprägte thermische Verletzungen im Kopf-Halsbereich hatten bei diesem Patient schon die initiale Intubation am Unfallort erschwert.


Diskussion

Die Behandlung von Schwerbrandverletzten ist in der Bundesrepublik Deutschland auf wenige spezialisierte Zentren beschränkt. Gemäß den Leitlinien der „Deutschen Gesellschaft für Verbrennungsmedizin“ (DGV) [2] sollte bei den in Tabelle 2 [Tab. 2] aufgezeigten Verletzungsmustern eine stationäre Behandlung in einem Zentrum für Schwerbrandverletzte erfolgen.

Mitentscheidend für die Prognose von Schwerbrandverletzten ist neben Ausmaß der Schädigung und Alter des Patienten eine suffiziente Primärversorgung am Unfallort und in der erstbehandelnden Klinik. Die Weiterbehandlung in einem Zentrum für Schwerbrandverletzte macht die Durchführung eines Sekundärtransportes erforderlich. In Flächenbundesländern wie Schleswig-Holstein oder Mecklenburg-Vorpommern sind für den Transport ins Brandverletztenzentrum häufig größere Entfernungen von mehr als 100 Kilometern zurückzulegen. Der Sekundärtransport mittels Intensivtransportwagen (ITW) oder auch Rettungswagen mit Arztbegleitung (NAW) ist bei den häufig kritisch kranken Schwerbrandverletzten mit langen Transportzeiten verbunden und somit wegen der großen Gefahr der Hypothermie und hämodynamisch instabilen Kreislaufsituationen bei großen Wundflächen nicht angezeigt. In der Regel wird somit ein luftgestützter Transport durchgeführt. Dieses Vorgehen kann auch erforderlich werden, wenn das regional zuständige Brandverletztenzentrum keine Kapazitäten zur Aufnahme hat und die Verlegung auf eine überregional zugewiesene Spezialstation notwendig wird.

Besteht bei dem regional zuständigen Schwerbrandverletztenzentrum keine Möglichkeit der Aufnahme, ist über die „Zentrale Anlaufstelle für die Vermittlung von Krankenhausbetten für Schwerbrandverletzte“ (ZA-Schwerbrandverletzte) der Einsatzzentrale/Rettungsleitstelle der Feuerwehr Hamburg [3] die dem Schadensort am nächsten gelegene, geeignete Einrichtung mit freien Kapazitäten und den dortigen Ansprechpartnern zu erfragen. Die Einzelheiten des Transportes und der Aufnahme sind dann zwischen den beteiligten Ärzten/Krankenhäusern eigenverantwortlich zu regeln.

Bei Kontaktaufnahme mit unserer Intensiveinheit für Schwerbrandverletzte erfolgt nach Erhebung der Kerndaten eine telefonische und schriftliche (Fax) Empfehlung bezüglich der vorzunehmenden auswärtigen Erstversorgung. Die in Tabelle 3 [Tab. 3] aufgelisteten Maßnahmen sollten von den vorbehandelnden Notärzten bzw. Kliniken vor Beginn eines Sekundärtransportes von Schwerbrandverletzten durchgeführt werden.

Der Weitertransport von Schwerbrandverletzten sollte grundsätzlich nach Rücksprache und Abstimmung mit dem weiterbehandelnden Zentrum sowie nach Abschluss der stabilisierenden Maßnahmen erfolgen. Eine Alarmierung des Rettungsdienstes zur Durchführung eines Sekundärtransportes ist mit Aufnahme eines Schwerbrandverletzten in einem peripheren Krankenhaus sowie Absprache mit dem weiterbehandelnden Zentrum zeitnah in die Wege zu leiten. In der Regel lassen sich in der Bundesrepublik Deutschland Sekundärhubschrauber vergleichbar schnell alarmieren wie ein Hubschrauber für Primäreinsätze, wodurch ein schneller Weitertransport sichergestellt ist [4].

Der Bedarf für den Interhospitaltransfer ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich angestiegen [4], [5]. Dies betrifft neben der weiterführenden Behandlung in Spezialzentren auch die generelle Behandlung von intensivpflichtigen Patienten.

Untersuchungen von Utter [6], der festgestellt hat, dass traumatisierte ältere Menschen mit einem größeren Zeitintervall in spezialisierte Zentren verlegt wurden, konnten wir bei den von uns evaluierten brandverletzten Patienten nicht bestätigen. Dies erklärt sich mit dem speziellen Verletzungsmuster der Brandverletzung und der fehlenden Routine selbst in Krankenhäusern der Maximalversorgung. Von allen erstversorgenden Kliniken wurde unabhängig vom Lebensalter eine umgehende Verlegung ins Zentrum initiiert.

Eine Studie aus Kanada konnte zeigen, dass der direkte Transport von Unfallverletzten vom Notfallort in ein Traumazentrum mit einer signifikant niedrigeren Mortalität und Morbidität einhergeht im Vergleich zu dem Kollektiv, das nach auswärtiger Krankenhausversorgung einem Spezialzentrum zu verlegt wurde [7]. Darüber hinaus stellte Harrington [8] fest, dass Schwerverletzte einen zu langen Zeitraum in den vorbehandelnden Kliniken verbringen, bevor eine Verlegung in ein Traumazentrum erfolgt.

In einer aktuellen Publikation von Rivara [9] konnte hinsichtlich des Überlebens bei Schwerverletzten keine signifikanten Unterschiede bei primär im Traumazentrum versorgten Patienten und den mittels Lufttransport zuverlegten Verletzen festgestellt werden.

Für Schwerbrandverletzte gibt es keine vergleichbaren Untersuchungen, zumal das Gesamtkollektiv vergleichsweise klein ist.

Eine retrospektive Analyse aus Baden-Württemberg [4] zeigte, dass der Gesamtanteil der Traumapatienten am Patientenkollektiv bei Sekundärtransporten 30,4% betrug. 3% dieser Patienten hatten thermische Verletzungen erlitten.

Der Transport von intensivpflichtigen Schwerbrandverletzten ist nicht risikofrei und gilt als komplikationsträchtig. Der Patient unterliegt unterschiedlichsten Stressaktoren, wie z.B. psychischer Belastung, Schmerzen bei Lagerungsmaßnahmen, Erschütterungen, Beschleunigungskräften, Temperaturwechsel und Lärmexposition [10]. Daher sollten einige wichtige Aspekte berücksichtigt werden. Das unweigerlich einwirkende Transporttrauma sollte minimiert werden. Als Transporttrauma bezeichnen Poloczek und Madler [10] die Summe aller während des Transportes auf den Patienten einwirkenden, potentiell schädigenden Faktoren. Als die wesentlichen Faktoren genannt werden: Missgeschicke, inadäquate Transportbedingungen, Transportstress und der Spontanverlauf der Erkrankung.

Missgeschicke wie z.B. Diskonnektionen, Abknicken von Beatmungsschläuchen usw. werden mit einer Häufigkeit bis zu 35% angegeben [11], wobei die meisten ohne negativen Einfluss auf den Patienten bleiben. Durch eine Vorbereitung des Transportes ohne Zeitdruck und die kontinuierliche Überwachung in einem eingespielten Team kann die Gefahr akzidenteller Fehler reduziert werden.

Aus den möglichen Risiken und Komplikationen, die ein Sekundärtransport birgt, wurden folgenden Empfehlungen entwickelt [10]:

  • Optimale Transportvorbereitung
  • Konsequente Fortführung von Therapie und Monitoring
  • Kompetente personelle Begleitung
  • Organisatorisches Gesamtkonzept

Ein nächtlicher luftgebundener Interhospitaltransport wird am häufigsten für intrazerebrale Blutungen (ICB), Schädel-Hirn-Traumata (SHT), akute Myokardinfarkte oder Polytraumata in Anspruch genommen [12]. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus einer vom Bayrischen Staatsministerium in Auftrag gegebenen prospektiven Studie, in der Daten von nächtlichen Interhospitaltransporten in Nord-/Ostbayern dargestellt wurden. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Vorhaltung eines Intensivtransporthubschraubers in der Nacht medizinisch gerechtfertigt ist. Ein Nachttransport ist bei schwerbrandverletzten Patienten aufgrund möglicher zusätzlicher Risiken nur in Ausnahmefällen vorzunehmen. Dies zeigte auch die Erfahrungen bei unserem Kollektiv, bei denen ein Nachttransport aufgrund schlechter Wetterbedingungen abgebrochen werden musste.

Die Qualität des Intensivtransportes wird daran gemessen, ob es gelingt den Patienten ohne Verschlechterung in das Verbrennungszentrum zu verlegen. Neben einer entsprechenden apparativen Ausstattung muss das medizinische Personal eine entsprechend qualifizierte intensivmedizinische Ausbildung haben. In Baden-Württemberg ist hierzu eine Facharztausbildung obligat. Zusätzlich werden neben einem Minimum von einem Jahr intensivmedizinischer Erfahrung mehr als 300 bodengebundene Rettungseinsätze gefordert [4].

Die Standardausrüstung eines ITH (Abbildung 3 [Abb. 3]), mit denen eine Verlegung vorgenommen wird, sollte die Erfordernisse des Intensivtransportes als auch den Einsatz als primäres Rettungsmittel abdecken. Die Mindestausstattung der Intensivtransporthubschrauber ist durch die DIN-Norm 13230/2 und 4 definiert. Sämtliche Therapiemöglichkeiten der modernen Intensivmedizin müssen auch im Rahmen des Fluges durchführbar sein. Im Rahmen des Transportes muss eine lückenlose Fortsetzung der intensivmedizinischen Maßnahmen, einschließlich der respiratorischen Therapie, möglich sein [4].

Mit einem Intensivbeatmungsgerät ist es möglich, alle differenzierten Beatmungsmuster selbst bei schwersten Lungenerkrankungen wie etwa dem Inhalationstrauma oder ARDS (acute respiratory distress syndrome) anzubieten. Zusätzlich ist ein Notfallbeatmungsgerät vorzuhalten. Einen sehr hohen Stellenwert bei der Verlegung von Schwerbrandverletzten besitzt der Respirator. Die in Primärrettung verwendeten Geräte sind hierbei nicht geeignet Patienten, bei denen häufig auch ein begleitendes Inhalationstrauma vorliegt, sicher zu transportieren. Die Verwendung leistungsstarker Respiratoren, mit denen eine situationsadaptierte Therapie möglich ist, ist obligat.

Ein weiterer entscheidender Aspekt ist das umfassende Monitoring. Hier muss im Rahmen des Transfers eine kontinuierliche Messung der Standardvitalparameter wie Blutdruck, EKG, SpO2 und CO2-Gehalt erfolgen.

4 Patienten mit Inhalationstrauma wurde initial nicht intubiert und beatmet. Beim Vorliegen eines Inhalationstrauma, von die Atemexkursion einschränkenden Brandverletzungen der Thoraxwand sowie Verletzungen im Kopf-Hals-Bereich, bei denen es sehr schnell zu lebensbedrohlichen Schwellungszuständen kommen kann, ist frühzeitig, wenn möglich vor Beginn des Transportes, die Indikation zur Intubation und Beatmung zu stellen [13], [14], [15].

Ein Transportmonitor ermöglicht die kontinuierliche Messung von EKG, Pulsoxymetrie, nicht-invasivem und invasivem Blutdruck, Körpertemperatur und CO2.

Bei dem von uns ausgewerteten Patientenkollektiv mussten wir allerdings feststellen, dass in keinem Fall weder eine kontinuierliche noch eine punktuelle Messung der Körpertemperatur vorgenommen wurde. Ein wichtiger Aspekt im Rahmen der Erstversorgung von Schwerbrandverletzten einschließlich der Transportphase ist zu verhindern, dass es zu einem Auskühlen des Patienten kommt. Stark herabgesetzte Körperkerntemperaturen können eine weiterführende operative Versorgung verhindern, aber auch das Auftreten von Schockgeschehen begünstigen. Gerade in den ersten Stunden der Versorgung von Schwerbrandverletzten ist die Stabilisierung der Körperkerntemperatur elementar. Die in unserer Abteilung sofort bei Aufnahme intravesikal gemessenen Temperaturen lagen im Durchschnitt bei 35,7°C (31,0°-37,8°C). Die gefürchtete Hypothermie führt neben den bekannten, gefürchteten Komplikationen wie Herzrhythmusstörungen zu einer Zentralisation des Kreislaufes, was eine Minderperfusion der Peripherie zur Folge hat. Hierdurch werden im Verlauf für die Haut wichtige Reparationsprozesse unterbunden. Des Weiteren kann es im Rahmen der Hypothermie zu einem Absinken des Adenosintriphosphat (ATP)-Spiegels im Blut kommen, was prädisponierend für posttraumatische Komplikationen wie Organversagen sein kann [16]. Im Rahmen eines Transportes muss einer Auskühlung durch Verwendung von Isofolien oder Wärmedecken entgegengewirkt werden [17].

Zusätzlich gehört ein Defibrillator zur Mindestausstattung. Darüber hinaus sind standardmäßig Injektionspumpe im Hubschrauber mitzuführen. Eine fest-installiertem Absaugeeinheit sollte neben einem transportablen Absauggerät vorgehalten werden.

Beim Sekundärtransport von Schwerbrandverletzten gilt es neben der bereits erwähnten Gefahr der Hypothermie sowie der Problematik des Inhalationstraumas einige weitere spezifische Aspekte zu berücksichtigen. So hat die Volumentherapie von Beginn der Erstversorgung an einen sehr hohen Stellenwert.

Großflächige thermische Verletzungen führen im Rahmen von systemischen Reaktionen zu Störungen in der kapillären Strombahn mit Ausbildung eines sogenannten Kapillarlecks (capillary leak). Die Folge ist ein Verlust der intravasalen Flüssigkeit ins Interstitium. Darüber hinaus stellt sich ein hoher Flüssigkeitsverlust über die Wundfläche ein. Dem hohen Flüssigkeitsbedarf muss frühzeitig Rechnung getragen werden. Bei der Volumensubstitution ist darauf zu achten, dass ausschließlich Ringer-Laktat verwendet wird. Kolloidale Lösungen sollten aufgrund des capillary leak nicht appliziert werden.

Trotz vorheriger Kontaktaufnahme und Informationsaustausch sowie Zustellung einer schriftlichen Therapie- und Maßnahmenempfehlung wurden bei 8 der 40 zugestellten Patienten kolloidale Infusionslösungen verabreicht.

Die Menge der zu infundierenden Flüssigkeit richtet sich nach den hämodynamischen Parametern. Hilfreich kann die Anwendung spezieller Formeln zur Durchführung der Infusionstherapie sein.

Das am weitesten verbreitete Infusionsschema ist die von Baxter 1968 entwickelte Parkland-Formel [18], bei der sich der Volumenbedarf der ersten 24 Stunden nach dem Körpergewicht und der betroffenen Körperoberfläche errechnen lässt:

  • (4 ml Ringer-Laktat x % VKOF x kg KG) / 24 h

Bei Vorliegen einer Starkstromverletzung oder eines Inhalationstraumas ist die 1,5-fache Menge zu applizieren. Die Hälfte der errechneten Infusionsmenge wird in den ersten 8 Stunden infundiert.

Da in der ersten Stunde nach einer thermischen Verletzung der Volumenbedarf deutlich höher liegt, wird folgende Infusionsmenge empfohlen:

  • 0,5 ml Ringer-Laktat x % VKOF x kg KG

Ziel der initialen Infusionstherapie ist eine ausreichende Organperfusion sicherzustellen. Eine leicht zu kontrollierende Zielgröße sind Stunden-Urinportionen von 30 bis 50 ml. Eine inadäquate Infusionsbehandlung kann mit ischämischen Schäden von Lunge, Nieren oder dem Mesenterialsystem einhergehen. Eine übermäßig starke Volumentherapie kann zu Komplikationen wie Lungenödem, Kompartmentsyndromen der Extremitäten oder auch abdominellen Kompartmentsyndromen führen [15].

Eine adäquate Infusiontherapie kann nur durchgeführt werden, wenn eine ausreichende Anzahl peripherer Venenverweilkanülen eingebracht wurden. Der Umstand, dass bei 14 Patienten unseres analysierten Kollektives nur eine Venenweilkanüle angelegt wurde, verdeutlicht, dass einem möglichen hohen Volumenbedarf nicht entsprechend Rechnung getragen wurde.


Fazit für die Praxis

Bei anstehender Verlegung von Schwerbrandverletzten auf eine spezialisierte Intensiveinheit, bei der eine größere Distanz zurückgelegt werden muss, bietet die Nutzung luftgebundener Rettungsmittel ein schonendes Verfahren mit Reduktion des Transporttraumas bei gleichbleibender Versorgungsqualität und optimierter intensivmedizinischer Versorgung. Durch den hohen Standard auf den Intensivhubschraubern kann die initial begonnene Intensivtherapie lückenlos fortgesetzt werden. Das Vorliegen von großflächigen thermischen Verletzungen macht die Berücksichtigung verletzungsspezifischer Besonderheiten erforderlich. So ist aufgrund der oftmals großflächig vorliegenden Wundflächen eine hochvolumige Infusionstherapie erforderlich. Dieser Umstand macht die Anlage einer ausreichenden Anzahl von peripheren Venenverweilkanülen erforderlich (mind. 2). Pathophysiologische Veränderungen verbieten die Gabe von kolloidalen Infusionslösungen innerhalb der ersten 24 Stunden nach dem Unfallereignis. Beim Vorliegen eines Inhalationstrauma, von die Atemexkursion einschränkenden Brandverletzungen der Thoraxwand sowie Verletzungen im Kopf-Hals-Bereich, bei denen es sehr schnell zu lebensbedrohlichen Schwellungszuständen kommen kann, ist frühzeitig, wenn möglich vor Beginn des Transportes, die Indikation zur Intubation und Beatmung zu stellen. Weitere wichtige Aspekte sind die große Gefahr der Hypothermie sowie die Durchführung einer ausreichenden Schmerztherapie.


Anmerkung

Interessenkonflikte

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

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