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GMS Mitteilungen aus der AWMF

Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF)

ISSN 1860-4269

Hochschulambulanzen: heutiger Stand und zukünftige Perspektiven

Correction

  • presenting/speaker H. Bauer - Dt. Ges. f. Chirurgie
  • presenting/speaker U. R. Fölsch - Dt. Ges. f. Innere Medizin
  • presenting/speaker W. Gaebel - AWMF-Präsidium
  • presenting/speaker H. C. Korting - AWMF-Präsidium
  • presenting/speaker W. Niebling - Dt. Ges. f. Allgemein- und Familienmedizin
  • corresponding author presenting/speaker K. H. Rahn - Präsident der AWMF Externer Link
  • presenting/speaker N. Roeder - Universitätsklinikum Münster/Westfalen
  • presenting/speaker W. Wagner - AWMF-Präsidium
  • author presenting/speaker A. Wienke - Wienke & Becker - Köln

GMS Mitt AWMF 2011;8:Doc28

doi: 10.3205/awmf000244, urn:nbn:de:0183-awmf0002443

Veröffentlicht: 8. November 2011

© 2011 Bauer et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Eine Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF)
Erarbeitet von einer ad-hoc-Kommission der AWMF* und verabschiedet vom Präsidium der AWMF am 29. September 2011

* Mitglieder: Professor Dr. med. H. Bauer, Professor Dr. med. U. R. Fölsch, Professor Dr. med. W. Gaebel, Professor Dr. med. H. C. Korting, W. Müller M.A., Professor Dr. med. W. Niebling, Professor Dr. med. K. H. Rahn, Professor Dr. med. N. Roeder, Professor Dr. med. Dr. med. dent. W. Wagner, Dr. iur. A. Wienke

Zusammenfassende Empfehlungen

Die Verlagerung von Krankenversorgungsleistungen aus dem stationären in den ambulanten Sektor hat Konsequenzen für Forschung, Lehre und Weiterbildung in den Medizinischen Fakultäten und in den Universitätsklinika. Dadurch gewinnen Hochschulambulanzen zunehmend an Bedeutung. Nach § 117 Sozialgesetzbuch V ist der Zulassungsausschuss verpflichtet, auf Antrag Hochschulambulanzen zur ambulanten ärztlichen Behandlung von Versicherten in dem für Forschung und Lehre erforderlichen Umfang zu ermächtigen. Zu einer besseren Nutzung der Hochschulambulanzen hat die AWMF Empfehlungen erarbeitet.

  • Hochschulambulanzen sind erforderlich, damit die Medizinischen Fakultäten ihre Aufgaben in Forschung, Lehre und Weiterbildung erfüllen können. Medizinische Fakultäten und Universitätsklinika müssen ihren Rechtsanspruch auf Ermächtigung zur ambulanten ärztlichen Behandlung durchsetzen.
  • Die Patienten müssen unabhängig von einer Überweisung durch einen niedergelassenen Facharzt einen direkten Zugang zu den Hochschulambulanzen haben. Für den Zugang sollte es differenziert nach Fächern Fallzahlobergrenzen geben. Diese richten sich nach den Forschungsschwerpunkten der Fakultäten sowie nach den Aktivitäten der Fächer in Forschung, Lehre und Weiterbildung. Die Krankenversorgungskosten der Hochschulambulanzen müssen transparent und leistungsgerecht über Einzelleistungsvergütungen oder über Komplexpauschalen finanziert werden. Zusätzliche Kosten, die sich aus der Beteiligung an Forschung und Lehre ergeben, müssen aus dem Zuführungsbetrag der Medizinischen Fakultäten beglichen werden.
  • Die Einrichtung von Ambulanzportalen wird für jedes Universitätsklinikum empfohlen. Von diesen Ambulanzportalen aus können die Patienten gezielt zu den jeweiligen Spezialambulanzen weitergeleitet werden. Die Ambulanzportale sollten eine eigene ärztliche Leitung haben. Hier bietet sich die Möglichkeit, Hochschullehrer für Allgemeinmedizin stärker in die Aktivitäten der Medizinischen Fakultäten einzubinden.
  • An den Universitätsklinika sollte ein integriertes Informationssystem unter Einbeziehung der Hochschulambulanzen erarbeitet werden. Schnittstellen von den in den Hochschulambulanzen für die Krankenversorgung notwendigen Dokumentationssystemen zu den IT-Systemen der Forschung und des Studienmanagements müssen vorgesehen werden.

Text

Schon seit vielen Jahren ist eine Verlagerung von Krankenversorgungsleistungen aus dem stationären in den ambulanten Sektor zu beobachten. Dieser Trend ist gewollt und hat sich durch die Einführung des DRG-Systems erheblich beschleunigt. Der Anteil schwerstkranker Patienten in den Universitätskliniken hat sich erhöht. Die Verweildauer der Patienten in der Klinik hat erheblich abgenommen In der ärztlichen Praxis häufig vorkommende Volkskrankheiten wie beispielsweise Diabetes mellitus, essentielle Hypertonie, Krankheiten des Bewegungsapparates, chronische Atemwegserkrankungen, chronische Magen-Darmerkrankungen werden in der Regel nicht mehr stationär behandelt, es sei denn, dass diese Erkrankungen zu schwerwiegenden Komplikationen geführt haben. Durch die geschilderte Entwicklung erhält die ambulante Universitätsmedizin zunehmend Bedeutung für Lehre, Forschung, Krankenversorgung und Weiterbildung. Zum Bereich der ambulanten Universitätsmedizin gehören die Hochschulambulanzen, die Medizinischen Versorgungszentren, die Sozialpädiatrischen Zentren, das ambulante Operieren, die ambulante Notfallversorgung u. a.. Von diesen sind die Hochschulambulanzen besonders bedeutsam für Lehre und Forschung. Sie stehen daher im Zentrum der folgenden Erörterungen.

Rechtliche Grundlagen

Die ambulante Krankenversorgung der gesetzlich krankenversicherten Patienten in Deutschland wird in struktureller Hinsicht von dem Grundsatz des Vorrangs der ambulanten vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung durch niedergelassene Ärzte und Zahnärzte vor der stationären Versorgung geprägt. § 72 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) V beschreibt den Kreis der Personen und Institute, die Träger der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung sind (Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten und Medizinische Versorgungszentren (MVZ) als Leistungserbringer und die Krankenkassen als Kostenträger). An der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung nehmen nach näherer Maßgabe des § 95 Abs. 1 SGB V zugelassene Ärzte und MVZ sowie ermächtigte Ärzte und ärztlich geleitete Einrichtungen teil. Über § 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V gilt dies auch für Zahnärzte und Psychotherapeuten.


Zulassung und Ermächtigung sind damit die zentralen Formen der Teilnahme an der ambulanten vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung und begründen für die Leistungserbringer einen Rechtsstatus, der die jeweiligen Verpflichtungen und Berechtigungen beschreibt. Bei der Ermächtigung werden Ärzte oder ärztlich geleitete Einrichtungen zeitlich begrenzt für bestimmte Leistungen in die ambulante vertrags(zahn)ärztliche Versorgung einbezogen, welche die niedergelassenen Ärzte nicht sicherstellen können.

Diese Subsidiarität der Ermächtigung gegenüber der Zulassung wird durch Spezialregelungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) mehr und mehr durchbrochen, um dem gesundheitspolitischen Gebot einer besseren Verzahnung zwischen der ambulanten und der stationären Krankenversorgung zu entsprechen. Als für den hochschulmedizinischen Bereich zentrale Vorschrift ist § 117 SGB V zu nennen. Danach ist der Zulassungsausschuss verpflichtet, auf Antrag Hochschulambulanzen zur ambulanten ärztlichen Behandlung von Versicherten in dem für Forschung und Lehre erforderlichem Umfang zu ermächtigen. Der beschriebene Grundsatz der Vorrangigkeit der ambulanten vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung durch zugelassene Ärzte und MVZ gilt nur für den Bereich der GKV, also für rund 92 % der Bevölkerung. Die private ambulante Krankenversorgung unterliegt nicht den beschriebenen strukturellen Vorgaben des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung.

Die ambulante Medizin bzw. die ambulante ärztliche Krankenbehandlung gesetzlich krankenversicherter Patienten in Universitätskliniken beschränkte sich bisher traditionell auf Hochschulambulanzen. Die Voraussetzungen und Inhalte der Ermächtigung von Hochschulen oder Hochschulkliniken zur Einrichtung von Hochschulambulanzen sind in § 117 SGB V und in den jeweiligen Verträgen auf Landesebene festgelegt. Die Ermächtigungsnorm des § 117 SGB V ist im Zusammenhang mit der verfassungsrechtlich garantierten Wissenschaftsfreiheit einer Hochschulambulanz nach Art. 5 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) zu sehen und auszulegen und kann einen konkretisierbaren Rechtsanspruch auf Ermächtigung einer Hochschulambulanz in dem für Forschung und Lehre erforderlichen Umfang im Einzelfall ergeben. Ein Konflikt mit den durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten beruflichen Interessen niedergelassener Vertragsärzte ist dabei so zu lösen, dass alle Rechtsgüter einen möglichst schonenden Ausgleich erfahren, vgl. BVerfG vom 16.05.1995 – 1 BvR 1087/91 – und aktuell: SozG Aachen, Urteil vom 05.11.2010 – S 7 KA 2/08 – nicht rechtskräftig, Berufung anhängig unter LSG Essen – L 11 KA 1/11 – . Dabei kann nicht allein den Vertragsärzten anvertraut sein, welche Patienten sich grundsätzlich für die Durchführung von Forschungs- oder Lehrvorhaben eignen.

Mit den seit 1993 in Kraft getretenen Gesundheitsstruktur- und Modernisierungsgesetzen, insbesondere aber mit dem 2007 in Kraft getretenen Vertragsarztrechtsänderungsgesetz und dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz hat der Gesetzgeber den beschriebenen Grundsatz der Vorrangigkeit der ambulanten vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung durch zugelassene Ärzte/Zahnärzte und MVZ zu Gunsten der Krankenhäuser mehr und mehr verlassen.

Für Universitätsklinika und andere Einrichtungen der Hochschulmedizin sind dadurch neben die klassischen Hochschulambulanzen (§ 117 SGB V) insbesondere die nachfolgenden Teilnahmemöglichkeiten an der ambulanten Krankenbehandlung gesetzlich krankenversicherter Patienten getreten:

  • Ambulante Behandlung durch Krankenhausärzte (persönliche Ermächtigung) nach § 116 SGB V
  • Ermächtigung ärztlich geleiteter Einrichtungen (Institutsambulanzen) gemäß § 31 Abs. 1 Ärzte-Zulassungsverordnung (Ärzte-ZV)
  • Sozialpädiatrische Zentren gemäß § 119 SGB V
  • Vor- und nachstationäre Behandlung im Krankenhaus gem. § 115 a SGB V
  • Ambulantes Operieren im Krankenhaus gem. § 115 b SGB V
  • Ambulante Behandlung im Krankenhaus nach § 116 b SGB V
  • Spezialisierte ambulante Palliativversorgung gem. § 132 d SGB V
  • Medizinische Versorgungszentren gem. § 95 Abs. 1 SGB V
  • Teilnahme von Krankenhäusern am Notdienst

Die vorstehende Aufzählung ist nicht abschließend, sondern bezieht in erster Linie die wichtigsten gesetzlich vorgesehenen Zugangsmöglichkeiten der Universitätsklinika und Krankenhäuser zur ambulanten Versorgung der gesetzlich krankenversicherten Patienten ein.

Daneben bestehen abweichende Zugangsmöglichkeiten zur ambulanten Versorgung bei Privatpatienten, Selbstzahlern und Patienten anderer Kostenträger, z.B. Berufsgenossenschaften.

Das Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung sieht vor, dass Krankenhäuser zukünftig stärker an der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung der Versicherten beteiligt werden sollen. Gleichzeitig soll die Aus- und Weiterbildung von Ärztinnen und Ärzten gefördert werden. Hierzu ist es im Rahmen des § 117 SGB V erforderlich, dass Patienten unabhängig von einer Überweisung durch einen niedergelassenen Facharzt einen direkten Zugang zu den Hochschulambulanzen haben.

Rolle der Hochschulambulanzen in der Forschung

In den vergangenen 20 Jahren sind zahlreiche klinische Interventionsstudien publiziert worden, deren Ergebnisse die Basis für wichtige therapeutische Entscheidungen bilden. Derartige Studien erfordern häufig, dass Patienten während mehrerer Jahre behandelt und beobachtet werden. Es müssen daher ambulante Patienten für die Teilnahme gewonnen werden. Die Rekrutierung dieser Patienten wird erheblich erschwert, wenn keine ausreichend großen Hochschulambulanzen vorhanden sind. Dies dürfte einer der Gründe sein für die Schwierigkeiten der patientenorientierten klinischen Forschung in Deutschland, wie sie unter anderem von Tijssen et al. beschrieben werden [1].

Mit der Verlagerung von Krankenversorgungsleistungen aus dem stationären in den ambulanten Bereich geht außerdem die Gefahr einher, dass einige Bereiche der Ärztlichen Weiterbildung, wie z. B. Endokrinologie/Diabetologie, Reproduktionsmedizin oder auch die Rheumatologie und teilweise auch die Pneumologie, in der Universitätsmedizin allenfalls nur noch marginal repräsentiert sind. Dies hätte zur Folge, dass in Zukunft in Deutschland Forschung auf diesen Gebieten kaum noch stattfindet. Schließlich gewinnen Aspekte der Präventivmedizin und der Versorgungsmedizin zunehmend Bedeutung. Entsprechende Forschungsvorhaben werden ganz überwiegend mit ambulanten Patienten durchgeführt. Auf die Notwendigkeit der dazu erforderlichen Daten wird im Kapitel „Strukturelle Aspekte“ eingegangen.

Für die Universitätsmedizin ist es daher strategisch wichtig, den Bereich der Hochschulambulanzen stärker als früher in das Forschungsgeschehen der jeweiligen Fakultät zu integrieren und als Standort auszubauen, der zu vier wesentlichen Forschungsaktivitäten beiträgt:

a) Rekrutierung von Patienten für klinische Studien und andere Forschungsvorhaben,

b) Planung und Durchführung von Studien

c) Nutzung von Behandlungsdaten und Proben aus der ambulanten Patientenversorgung für den Aufbau von Informationsstrukturen für die medizinische Forschung

d) Betreuung und Nachbeobachtung von Patienten in der Präventions- und Versorgungsforschung.

Entsprechend § 117 SGB V haben die Universitätskliniken einen Anspruch, an der ambulanten ärztlichen Versorgung teilzunehmen, und zwar in einem Umfang, der für Forschung und Lehre erforderlich ist. Dieser Umfang und die abzurechnende Pauschale werden zwischen dem Zulassungsausschuss und den Hochschulklinika festgelegt. Innerhalb der Hochschulkliniken sollte dieser Umfang entsprechend den von der Fakultät vorgegebenen Forschungsschwerpunkten aufgeteilt werden. Diese Aufteilung nimmt in der Regel aber der Vorstand des Klinikums nach anderen Gesichtspunkten vor. Es werden größere Patientenkontingente an Kliniken verteilt, wo relativ geringe Kosten entstehen, unabhängig davon, ob dies mit den Forschungsschwerpunkten übereinstimmt.

Bedingt durch die Verknappung des ärztlichen Personals und die Verdichtung der täglichen Arbeit müssen in den Hochschulambulanzen oft Ärztinnen und Ärzte eingesetzt werden, die noch kaum Erfahrung in der Forschung haben. Zur Förderung der klinischen Forschung sollten aber gerade in den Hochschulambulanzen Ärztinnen und Ärzte tätig sein, die den größten Teil der Weiterbildung absolviert haben oder bereits Fachärzte sind und die Erfahrung mit sowie Interesse an Forschungsaktivitäten haben.

Rolle der Hochschulambulanzen in der Lehre

Nach der derzeit gültigen Ärztlichen Approbationsordnung (ÄApprO) gehört es zu den Zielen der ärztlichen Ausbildung, die für das ärztliche Handeln erforderlichen allgemeinen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten in Diagnostik und Therapie sowie praktische Erfahrungen im Umgang mit Patienten auf der Basis des aktuellen Forschungsstandes zu vermitteln (§ 1). Die Universität gestaltet eine Ausbildung, die diesen Zielen entspricht. Zu diesem Zweck werden neben Vorlesungen insbesondere praktische Übungen durchgeführt, deren Lehrstoff sich an der ärztlichen Praxis ausrichten soll. Besonders nach dem ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung steht die Unterweisung am Patienten im Vordergrund (§ 2).

Wie bereits erwähnt, werden Patienten mit häufig vorkommenden Erkrankungen nicht mehr stationär betreut. Außerdem sind die in Universitätskliniken stationär behandelten Patienten häufig so schwer erkrankt, dass ihnen eine Beteiligung am studentischen Unterricht nicht zugemutet werden kann. Schließlich haben die Studierenden wegen der kurzen Verweildauer der Patienten in den Kliniken kaum mehr die Gelegenheit, den Verlauf auch schwerer Erkrankungen ausreichend lange zu beobachten. Die genannten Ziele der ÄApprO können daher nicht mehr erreicht werden, wenn die Unterweisung der Studierenden ausschließlich an stationären Patienten erfolgt.

An allen Universitätsklinika gibt es Hochschulambulanzen. Nach § 117 SGB V haben diese einen Anspruch auf Ermächtigung zur ambulanten ärztlichen Behandlung der Versicherten in dem für Forschung und Lehre erforderlichen Umfang. Allerdings wird hierfür in den meisten Bundesländern eine Überweisung durch einen niedergelassenen Arzt benötigt. Dies führt dazu, dass in den Hochschulambulanzen ganz überwiegend Patienten mit seltenen Erkrankungen oder mit schweren Komplikationen häufiger Krankheiten betreut werden. Somit tragen auch die bestehenden Hochschulambulanzen nur in begrenztem Maße dazu bei, die Ziele der ÄApprO zu erreichen.

Um auch in Zukunft eine angemessene studentische Ausbildung auf der Basis des aktuellen Forschungsstandes zu ermöglichen, sind Reformen der Hochschulambulanzen unumgänglich. Medizinische Fakultäten und Universitätsklinika müssen ihren Rechtsanspruch auf Ermächtigung zur ambulanten ärztlichen Behandlung durchsetzen. Hierzu wird zunächst eine Analyse des für die Lehre erforderlichen Umfangs benötigt. Diese Analyse muss differenziert für die einzelnen Fächer erfolgen. Die Patienten müssen einen direkten Zugang - unabhängig von einer Überweisung - zu den Hochschulambulanzen haben. Auf der Basis der genannten Analysen kann der Zugang begrenzt werden. Die Krankenversorgungskosten für die gesetzlich und privat versicherten Patienten sind durch die entsprechenden Kostenträger zu zahlen. Zusätzliche Kosten, die sich durch die Beteiligung an Lehre und Forschung ergeben, sind aus dem Zuführungsbetrag der Medizinischen Fakultäten zu begleichen.

Empfehlenswert erscheint die Einrichtung von Ambulanzportalen für jedes Universitätsklinikum [2]. Von diesen Ambulanzportalen aus können die Patienten zu den jeweiligen Spezialambulanzen weitergeleitet werden, falls dies indiziert ist. Die Ambulanzportale sollten eine eigene ärztliche Leitung haben. Diese Leitungsfunktion kann durch Hochschullehrer für Allgemeinmedizin übernommen werden, die Erfahrung in Lehre und Klinischer Forschung besitzen. Auf diese Weise kann die Allgemeinmedizin stärker in die Aktivitäten der Medizinischen Fakultäten eingebunden werden.

Eine wertvolle Ergänzung – jedoch keineswegs ein Ersatz – der Hochschulambulanzen für den studentischen Unterricht stellen allgemeinmedizinische Lehrpraxen dar. Zurzeit gibt es in Deutschland 4.714 derartige Lehrpraxen, in denen rund 4 Millionen Patienten betreut werden [3]. Die in diesen Praxen als Lehrer für den Studentenunterricht tätigen Ärzte sollten durch Informationsveranstaltungen und Schulungen mit dem Unterrichtssystem der jeweiligen Medizinischen Fakultät vertraut gemacht und für ihre Lehrtätigkeit angemessen aus Mitteln des Zuführungsbetrages bezahlt werden.

Auch die Kooperation mit Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) ermöglicht für Medizinische Fakultäten und Universitätsklinika einen verbesserten Zugang zu ambulanten Patienten. In ärztlich unterversorgten Gebieten kann die Übernahme von Praxen oder die Einrichtung von MVZ durch die Universitätsklinika erwogen werden.

Rolle der Hochschulambulanzen in der Krankenversorgung und ihre Finanzierung

Hochschulambulanzen haben einen Anspruch auf Ermächtigung zur ambulanten ärztlichen Behandlung in dem für Forschung und Lehre erforderlichen Umfang. Sie nehmen aber darüber hinaus bereits heute in erheblichem Ausmaß ambulante Versorgungsaufgaben wahr, ohne dass sie hierzu verpflichtet sind. Die Hochschulambulanzen sind auch Anlaufstelle für Patientinnen und Patienten mit komplexen Krankheitsbildern, die gezielt von Vertragsärzten mit der Bitte um Unterstützung zugewiesen werden. Hier übernehmen die Hochschulambulanzen Versorgungsaufgaben, die wegen der Komplexität der Fälle häufiger mit aufwändiger und damit kostenintensiver Diagnostik verbunden sind. Im Rahmen ihres ambulanten Leistungsspektrums erbringen Universitätsklinika in Form von fächerübergreifenden Allgemein-, Fach-, Spezial- oder Notfallambulanzen einen wesentlichen Beitrag zur ambulanten fachärztlichen Versorgung, der sich durch einen erhöhten Schwierigkeitsgrad aufgrund von Schwere, Komorbidität und höherem Alter der Patienten auszeichnet und über das für Forschung und Lehre erforderliche Maß hinausgeht [2] [4]. Dabei erfolgt durch niedergelassene Fachärzte die regionale wie überregionale Zuweisung vor allem von Patienten mit komplexen Krankheitsbildern, bei denen die Verfügbarkeit spezialisierter diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen sowie ein interdisziplinäres, aber gleichwohl ambulantes Vorgehen von ausschlaggebender Bedeutung sind. Auch diese Patienten sind für Aus- und Weiterbildung sowie spezielle Forschungsfragestellungen wichtig.

Die Finanzierung der ambulanten Universitätsmedizin erfolgt vorwiegend über Quartalspauschalen gemäß § 117 SGB V. Daneben hat sich jedoch eine Vielzahl von bereits erwähnten Vergütungsmodellen etabliert, die nicht spezifisch für Universitätsklinika sind. Beispielhaft sind zu nennen: Sozialpädiatrische Zentren (§119 SGB V), persönliche Ermächtigungen von Krankenhausärzten durch die kassenärztliche Vereinigung (§ 116 SGB V), Ermächtigungen für seltene bzw. hochkomplexe Erkrankungen (§ 116 b SGB V), Finanzierung über medizinische Versorgungszentren (§ 95 SGB V), über Institutsambulanzen (§116a, §118) und über § 115b SGBV (Ambulantes Operieren). Auch hausindividuelle Vereinbarungen mit Kostenträgern können eine Finanzierungsgrundlage bilden. Die Zulassung und Finanzierung psychiatrischer Institutsambulanzen (PIAs) an psychiatrischen sowie kinder- und jugendpsychiatrischen Universitätskliniken gemäß § 118 und § 120 SGB V runden den Tätigkeitsrahmen ambulanter Universitätsmedizin ab.

Spezifische Regelungen ausschließlich für Unikliniken beschränken sich damit auf die Ermächtigungen nach § 117 SGB V. Die Finanzierung der Hochschulambulanzen stellt bei vielen Universitätskliniken ein großes Problem dar, da diese Ambulanzen erheblich unterfinanziert sind(4). Vor Einführung der DRG-Fallpauschalen erfolgte häufig eine Quersubventionierung der Hochschulambulanzen durch das jährlich mit den Kostenträgern verhandelte Budget für die stationäre Versorgung. Diese Querfinanzierung wurde mit der Einführung einheitlicher und versorgungsstufenunabhängiger Fallpauschalen komplett eliminiert. Auch die Möglichkeit, die Personalleistung über die Marge aus Medikamentenverkäufen durch die Krankenhausapotheke zu finanzieren, ist als Folge der 15. Novelle des Arzneimittelgesetzes erheblich reduziert.

Aus Gründen der regionalen und überregionalen Versorgungsaufgaben von Universitätsklinika sowie der entsprechenden Zuweisung durch Vertragsärzte als Voraussetzung für die Abrechnung der erbrachten Leistung kann keine Beschränkung auf Patienten erfolgen, die ausschließlich aus Aspekten von Forschung und Lehre für die Medizinischen Fakultäten relevant sind. Die Gegenfinanzierung der erbrachten Leistungen über die mit den meisten Universitätsklinika vereinbarten Quartalspauschalen ist häufig inadäquat. Nur wenige Universitätsklinika (z. B. in Baden-Württemberg) konnten angemessene Vergütungen durchsetzen. Die Mehrheit der Universitätsklinika versucht, die Vergütungsdefizite durch eine partielle Flucht in alternative Vergütungsformen zu reduzieren, woraus Konflikte mit Teilen des vertragsärztlichen Bereichs resultieren (z.B. § 116 b Ambulanzen, MVZ).

Angesichts der gesundheitspolitischen Entwicklung mit zunehmender Bedeutung ambulanter Versorgungsleistungen kommt der ambulanten Universitätsmedizin zukünftig eine noch stärkere Rolle in der Patientenversorgung zu. Voraussetzung für das erforderliche Leistungsprofil ist eine transparente, leistungsgerechte und sachgerechte Finanzierung über Einzelleistungsvergütungen oder Komplexpauschalen. Eine rein budgetorientierte Fallzahlobergrenze darf die patientengebundene Ausbildung und die klinische Forschung nicht behindern. Um diesen Ansprüchen gerecht zu werden, müssen die Hochschulambulanzen allerdings bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Dazu gehören die stärkere Einbindung in das Versorgungsnetz, vor allem die Vernetzung mit ambulanten Versorgern, die Einrichtung fächerübergreifender interdisziplinärer Einheiten, die Bildung von Ambulanzportalen zur Ressourcenbündelung und auch Qualitätssteigerung, optimierte Leistungsdokumentation sowie Transparenzrechnung zur Abgrenzung der Aufwendungen für Forschung und Lehre von den Versorgungsaufgaben.

Die Rolle der Hochschulambulanzen in der ärztlichen Weiterbildung

Die Weiterbildung als wichtige Aufgabe der Universitätskliniken wird in § 117 SGB V nicht erwähnt. Gemessen am Anteil von Weiterbildungsassistenten an der Gesamtzahl klinisch tätiger Ärzte sind die Hochschulkliniken im Vergleich zu den Versorgungskrankenhäusern überproportional an der Weiterbildung beteiligt. Eine zunehmende Verlagerung der Patientenversorgung in den ambulanten Bereich wirkt sich an den Universitätsklinika nicht nur auf Forschung und Lehre sondern in erheblichem Masse auch auf die Weiterbildung des ärztlichen Nachwuchses aus.

In Vertragsarztpraxen und auch in Medizinischen Versorgungszentren findet, von der Allgemeinmedizin abgesehen, Weiterbildung des ärztlichen Nachwuchses kaum statt. Die Sicherstellung einer qualifizierten Facharztweiterbildung hat sich, sicher in unterschiedlicher Gewichtung in den einzelnen Fächern, an den zunehmenden Möglichkeiten und Entwicklungen der ambulanten Versorgung zu orientieren. Im Rahmen der Weiterbildung an Hochschulambulanzen geht es dabei ganz wesentlich darum, Wissen und Fertigkeiten nicht nur im Rahmen seltener Erkrankungen und hoch spezialisierter Versorgungsleistungen zu vermitteln, wie das über den § 116 b SGB V vorgesehen ist. Eine umfassende und am zukünftigen Bedarf orientierte Weiterbildung an Universitätsklinika erfordert, dass dort auch Patienten mit häufig vorkommenden, unkomplizierten Krankheitsbildern, wie dies dem Gros der Patienten in Praxen von Vertragsärzten entspricht, betreut werden. Dafür muss der direkte Zugang von derartigen Patienten zu Hochschulambulanzen gewährleistet sein. Daher sollten – analog zu dem Bezug auf Forschung und Lehre – in § 117 SGB V Hochschulambulanzen zur ambulanten Betreuung in dem für die Weiterbildung erforderlichen Umfang ermächtigt werden. Diese Überlegungen sollten auch durch die Bundesärztekammer berücksichtigt werden, die vom 114. Deutschen Ärztetag 2011 aufgefordert wurde, grundsätzliche Empfehlungen für die Erteilung einer Weiterbildungsbefugnis und für die Durchführung der Weiterbildung in Klinik und Praxis zu erarbeiten [5].

Bei der Berechnung der ärztlichen Personalschlüssel ist der erforderliche Mehraufwand für Weiterbildung (Personalbindung durch Anleitung und Supervision, höherer Zeitaufwand bei der Leistungserbringung) zu berücksichtigen. Es ist offenkundig, dass Weiterbildungsaktivitäten Kosten verursachen, die zwischen den Leistungserbringern ungleich verteilt sind. Der Ansatz, diese an den Nachweis der Qualität von Weiterbildungsangeboten unter Ausgestaltung konkreter Qualitätsanforderungen zu koppeln, wird ausdrücklich unterstützt. Lösungsoptionen wären Sonderzahlungen wie zur Förderung der Weiterbildung in der Allgemeinmedizin oder – wie in der Schweiz und in den Niederlanden - ein Fonds- bzw. Poolsystem zur extrabudgetären Finanzierung der Weiterbildung.

Die Rolle der Hochschulambulanzen in der Zahnmedizin

Forschung, Lehre, Krankenversorgung und Weiterbildung in der Zahnmedizin zeichnen sich durch einige Besonderheiten aus:

  • Die Ausbildung der Studenten erfolgt im Rahmen der eigenen Patientenbehandlung an Patienten der Hochschulambulanzen.
  • Es werden fast ausschließlich ambulant behandelbare Krankheitsbilder therapiert (Ausnahme: Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie).
  • Es besteht eine zunehmende Verlagerung insbesondere moderner Diagnose- und Behandlungsmethoden in den außervertraglichen Bereich (Selbstzahlanteil zunehmend, daher in den Hochschulambulanzen finanzieller Anreiz durch Preisnachlass erforderlich).
  • Es besteht ein freier Zugang zu den meisten Kliniken ohne Überweisung allerdings mit teilweise begrenzenden Fallzahl- oder Budget-Obergrenzen.
  • Die Finanzierung erfolgt mit von Standort zu Standort sehr variablen aber niedrigen Vergütungen über Fallpauschalen oder mit niedrigem Punktwert.

Die klinische Lehre findet im Gegensatz zur Medizin durch eigene Behandlung von Patienten mit fachlicher Supervision statt. Die fast ausschließlich ambulant zu behandelnden Krankheitsbilder erfordern eine ausreichend hohe Zahl ambulanter Patienten, wobei nur ein kleiner Teil geeignet ist oder bereit ist zu einer Behandlung durch Studenten. Die Zunahme außervertraglicher Leistungen mit teilweise sehr hohen Zuzahlungsbeträgen (Festzuschuss-Regelung in der Prothetik) erschweren die Bereitstellung einer ausreichend großen Zahl von geeigneten Patienten für die Behandlung durch Studenten, so dass unterschiedlich hohe Preisnachlässe gewährt werden müssen, die aus dem Zuführungsbetrag zu finanzieren sind. Diesem Problem kann nur mit hohen Kosten für die Lehre oder einer an der Patientenzahl orientierten Zulassungskapazität begegnet werden, wenn die derzeitige klinische Ausbildung erhalten werden soll. Alternative Ausbildungsgänge analog der Medizin müssen mittelfristig geprüft und Kooperationen mit ambulanten Lehrpraxen zur Problemlösung gesucht werden.

Ambulante Patienten sind auch für die Weiterbildung der Assistenten erforderlich, die eine fachliche Supervision bei der studentischen Ausbildung übernehmen sollen. Derartige Patienten sind ferner notwendig für die Weiterbildung zum Beispiel in der Oralchirurgie, der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, der Kieferorthopädie. In diesem Zusammenhang ist die universitäre Zahnmedizin auch eingebunden in die regionale Patientenversorgung, insbesondere bei seltenen Krankheitsbildern sowie bei speziellen Problemen (Gesichtsspalten und schweren Kieferfehlstellungen, Behindertenbehandlung in Narkose, behandlungsunwilligen Patienten). Diese Leistungen können jedoch mit der niedrigen Fallpauschale nicht kostendeckend erbracht werden, so dass eine alternative Finanzierung gesucht werden muss.

Die zahnmedizinische klinische Forschung lebt von der Langzeitbetreuung von Patientenkollektiven mit häufig in der Ambulanz vorkommenden Krankheitsbildern. Hierfür sind Langzeitkohorten erforderlich, die in einem kompetenten Studienzentrum innerhalb der universitären Zahnmedizin versorgt werden sollten, damit ein international vergleichbarer Standard in der klinischen Forschung erreicht oder erhalten werden kann. Versuche von Netzwerkbildungen mit wissenschaftlich interessierten Praxen sind mühsam und insbesondere bei Langzeitprojekten oft nicht ausreichend nachhaltig realisierbar.

Strukturelle Aspekte

Struktur und Organisation vieler Hochschulambulanzen müssen mit Rücksicht auf die heutigen Erfordernisse von Forschung, Lehre und Krankenversorgung angepasst werden. Diese Anpassung wird besonders dringlich, wenn – wie erwünscht – Patienten einen direkten Zugang zu den Ambulanzen haben. Realistische Termine müssen vergeben werden, um ungebührliche Wartezeiten der Patienten zu vermeiden. Ärztliches und nichtärztliches Personal muss zu den festgesetzten Ambulanzzeiten auch tatsächlich zur Verfügung stehen und nicht überschneidend auf Stationen, in Funktionsbereichen oder bei Operationen eingesetzt werden. Zeiten und Räumlichkeiten für den studentischen Unterricht müssen eingeplant werden. In den Ambulanzen tätige Ärztinnen und Ärzte müssen an laufenden Forschungsprojekten teilnehmen oder über die Projekte informiert sein, um gegebenenfalls Untersuchungsmaterial zu gewinnen oder bei der Rekrutierung von Patienten zu helfen.

Insbesondere Patienten, die ohne Überweisung durch einen niedergelassenen Facharzt in Hochschulambulanzen betreut werden möchten, werden in der Regel nicht gezielt eine Spezialsprechstunde aufsuchen können. Aus diesem Grunde sollten den Spezialambulanzen fächerübergreifende Einheiten vorgeschaltet sein, von denen aus die Patienten dann gegebenenfalls zu Spezialsprechstunden weitergeleitet werden können. Hierfür hat der Wissenschaftsrat Ambulanzportale vorgeschlagen [2]. Art und Zahl derartiger Ambulanzportale müssen von den jeweiligen lokalen Strukturen abhängig gemacht werden. So ist es denkbar, dass für alle Spezialgebiete der Inneren Medizin ein Ambulanzportal eingerichtet wird, das im Prinzip die Aufgaben der früheren Medizinischen Polikliniken erfüllt. In Universitätsklinika mit interdisziplinären Zentren kann ein Ambulanzportal für jedes Zentrum bestehen, beispielsweise für Patienten mit Beschwerden im Bereich der Bauchorgane. Die Ambulanzportale sollten eine eigene ärztliche Leitung haben. Hierfür kommen erfahrene Fachärztinnen und Fachärzte in Frage, die auch in Forschung und Lehre ausgewiesen sind. Abhängig von den örtlichen Gegebenheiten kann diese Leitungsfunktion von Hochschullehrern für Allgemeinmedizin übernommen werden, die neben ihrer Lehrtätigkeit auch eigene Forschungsprojekte - hauptsächlich patientenorientierte klinische Forschung und Versorgungsforschung - durchführen und dadurch stärker in die Aktivitäten der Medizinischen Fakultäten eingebunden werden können.

Allgemeinmedizinische Lehrpraxen sind für den Studentenunterricht und auch für die klinische Forschung eine wertvolle Ergänzung der Hochschulambulanzen. Auch die Kooperation mit MVZ kann für die Medizinischen Fakultäten die Möglichkeiten in Forschung und Lehre verbessern. Mit stärkerer Berücksichtigung der Ärztlichen Weiterbildung im ambulanten Bereich wird den MVZ in Zukunft zunehmend Bedeutung zukommen. Universitätsklinika sollten in ärztlich unterversorgten Gebieten die Übernahme von Praxen oder die Einrichtung von MVZ erwägen. Hierbei sollte auch eine vertraglich geregelte Doppelbeschäftigung von Hochschullehrern und Ärzten möglich sein.

Wohl kaum ein Bereich der Hochschulmedizin dürfte so heterogen sein wie der IT-Unterstützungsgrad und die eingesetzten IT-Systeme in den Hochschulambulanzen. Sowohl innerhalb eines Universitätsklinikums als auch über die verschiedenen Standorte der Universitätsmedizin hinweg findet sich eine breite Vielfalt von IT-Systemen, teilweise wird noch papierbasiert gearbeitet. Diese große Heterogenität ist vielfach in der hohen Spezialisierung der Arbeitsprozesse in den Ambulanzen einzelner Fächer begründet. Dies erschwert es den Anbietern von Krankenhausinformationssystemen (KIS), die erforderlichen Funktionen in ihren Standardprodukten adäquat abzubilden und zu marktfähigen Preisen anzubieten. So erscheint der Markt der Hochschulambulanzen für Softwareanbieter recht komplex und unattraktiv. Insgesamt führt dies zu einer geringen Integration der Hochschulambulanzen in die IT-Architektur und Datenstruktur der Universitätskliniken. Die elektronische Kommunikation beschränkt sich weitgehend auf die erforderlichen Informationen für Leistungsabrechnung sowie diagnostische Auftrags- und Befunddokumentation.

Für den Aufbau von IT-Infrastrukturen in den Hochschulambulanzen sind damit Rahmenbedingungen und Herausforderungen gegeben, die zu den grundsätzlichen Anforderungen an Informationsstrukturen und Informationsverarbeitung der Hochschulen hinzu kommen und die spezifisch gelöst werden müssen. Die beiden jüngsten übergreifenden Empfehlungen der DFG-Kommission für IT-Infrastruktur [6] und des Wissenschaftsrates [7] greifen die Spezialfragen der Hochschulambulanzen nicht auf, so dass hierzu Empfehlungen erarbeitet werden müssen.

Eine Reihe von Maßnahmen zur Planung und zum Aufbau von IT-Infrastrukturen für Hochschulambulanzen sollten in den kommenden Jahren verfolgt werden. Im Sinne der DFG-Empfehlung ist vordringlich eine Strategie für ein integriertes Informationsmanagement unter Einbeziehung der Hochschulambulanzen zu erarbeiten und umzusetzen, die eine weitgehende Einbettung in den Betrieb von technologischen Basisdiensten ermöglicht. Insbesondere ist hierbei die Integration von medizinischen Informationen aus stationärem und ambulantem Versorgungsbereich an Universitätsklinika über Systemgrenzen sicherzustellen, da dies eine wesentliche Voraussetzung darstellt, um den Forschungszielen nahezukommen. Eine Rekrutierung von Patienten für klinische Studien kann im Bereich der Hochschulambulanzen zielgerichteter erfolgen, wenn nicht nur die Daten aus den ambulanten Kontakten, sondern auch aus vorherigen stationären Aufenthalten als mögliche Ein- und Ausschlusskriterien zur Verfügung stehen.

Zur Planung und Koordination einer übergreifenden Strategie, auch im Sinne der öffentlichen Förderer, ist eine präzise Bestandserhebung der aktuellen Nutzung von IT-Infrastruktur, der eingesetzten IT-Systeme und des Umfanges und des Standardisierungsgrades von Kommunikationsschnittstellen zwischen IT-Systemen empfehlenswert. Schnittstellen von den in den Hochschulambulanzen notwendigen diagnostischen Dokumentationssystemen zu IT-Systemen des Studienmanagements müssen vorgesehen werden. Organisatorisch, logistisch und informationstechnologisch ist der Bereich der Hochschulambulanzen auf die notwendigen Prozesse und Datenschnittstellen zur Probengewinnung im Rahmen von klinischen Studien vorzubereiten.

Die Nutzung von Patientendaten für die Forschung macht zwingend eine Datenstandardisierung erforderlich. Dies gilt insbesondere für Studien zu ambulanten Fallverläufen, bei denen Daten von externen Partnern (Arztpraxen, Diagnostikinstitute) einfließen. Mit Nachdruck sollte daher die Universitätsmedizin ihre interne Nutzung internationaler Standards vorantreiben. Die Empfehlungen der DFG [6] zur Nutzung von Daten der Patientenversorgung für klinische oder epidemiologische Forschungsvorhaben gelten auch für die Hochschulambulanzen. Die Qualität der Daten aus der Krankenversorgung ist eine zwingende Voraussetzung für ihre Nutzbarkeit in der Forschung.


Literatur

1.
Tijssen RJW, van Leeuwen TN, van Raan AFJ. Mapping the Scientific Performance of German Medical Research. Schattauer Verlag; 2002.
2.
Wissenschaftsrat. Empfehlungen zur Weiterentwicklung der ambulanten Universitätsmedizin in Deutschland. Berlin; 2010.
3.
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